Mit Rosenkranz, Marienstatuen und Peacefahne

Kraftvolle Marienbilder am internationalen Marienfest in Bern

Laut betend, singend, mit Statuen, Rosenkranz oder Peacefahne: Am internationalen Marienfest in Bern ehren zehn Sprachgemeinschaften die Mutter Gottes je auf ihre Weise. An der Prozession werden die vielen Stimmen in pfingstlicher Weise hörbar.

Text und Fotos: Sylvia Stam

«Bei unserer Flucht hat meine Familie alles verloren, ausser den Glauben an Maria», sagt Xuan Lan Vu aus Vietnam. «Sie gab uns die Kraft, den Krieg zu überstehen. Diese Kraft spüre ich heute noch.»

Die junge Frau ist eine von rund 150 Personen, die am vergangenen Sonntag am 22. internationalen Marienfest in der Kirche Bruder Klaus in Bern teilgenommen haben. Zum Auftakt versammelten sich die Gläubigen in der Kirche, hinter einer der zehn Tafeln für ihre Sprachgemeinschaft. Es sind mehrheitlich Frauen, einige Kinder, in hellen oder farbigen Kleidern. Vor dem Altar stehen mehrere Marienstatuen, eine im roten Brokatkleid, eine andere aus schlichtem weissem Material, eine weitere ganz in Lourdes-Blau auf einem mit Blumen geschmückten Podest, einige tragen das Jesuskind auf dem Arm.


Vom «Privileg, diese Vielfalt zu feiern», spricht Hauptzelebrant Viktor Hofstetter bei der Begrüssung, ehe die Schar zur Prozession aufbricht: Jeder Sprachgruppe voran geht ein Bogen aus Efeu, Rosen und weiteren Blumen, der jeweils von zwei Personen getragen wird. Dahinter folgt die Marienstatue, manche tragen ein gerahmtes Marienbild, die kroatische Fahne läuft ebenso mit wie eine regenbogenfarbene Peacefahne.

Padre nuestro und Ave Maria

Jede Sprachgruppe ehrt die Mutter Gottes auf ihre Weise: Die einen beten laut den Rosenkranz, andere singen Marienlieder, kaum jemand schweigt. Wer den farbenfrohen Zug vorbeiziehen sieht, hört ein wunderbar vor-pfingstliches Sprachengewirr: «Padre nuestro, que estás en el cielo» folgt nahtlos auf «Tu sei benedetta fra le donne». Die Kroat:innen beten, die Tamil:innen und Philippiner:innen singen, letztere mit auffallend vielen Männern. Der Gesang endet auch schon mal in Gelächter. Frauen halten sich gegenseitig das Gesangsbuch hin, an der Hand einer Schwarzen Nonne baumelt ein glitzernder Rosenkranz, ein hölzernes Exemplar wird von einer älteren Frau um die weisse Marienstatue gewickelt, die sie im Arm hält.  


Eine gute halbe Stunde dauert die Prozession rund um den Egelsee, ehe die Sprachgruppen mit ihren Statuen zurück in die Kirche zum Gottesdienst kommen. Während von der Orgel das «Ave Maria» aus Lourdes braust, werden die Madonnen sorgfältig vor den Altar gestellt und nochmals schön drapiert.

Hoffnung und Liebe

«Maria ist für uns ein Bild der Hoffnung und der Liebe», sagt Charisse Dumlao beim Apero. «Sie gibt uns Kraft, denn in einem anderen Land zu wohnen, ist für viele nicht einfach. Am Marienfest freuen wir uns, unsere Kultur zu präsentieren und so ein Stück Heimat zu spüren», sagt die Leiterin des philippinischen Chors.


«Maria ist wie eine Mutter», erklärt der Tamile Anton Francis. «Mütter helfen immer», fügt er lachend hinzu. Als Kind habe seine Mutter immer zu Maria gebetet, wenn es bei ihm in der Schule nicht gut lief. «Das hat mir geholfen.» Tatsächlich haben viele der Teilnehmer:innen den Glauben an die Mutter Gottes von ihrer eigenen Mutter mitbekommen. So auch eine Luzernerin: «Meine Mutter ist früh gestorben. Die Mutter Gottes wurde so zu meiner himmlischen Mutter.»


Entstanden ist das Marienfest gegen Ende der 1990erJahre aus einem internationalen Bibelteilen auf Initiative von Gerda Hauck. «Bei den Migrant:innen habe ich ein kraftvolles Marienbild wahrgenommen, das nichts mit dem Bild der demütigen Frau gemein hatte, das ich kannte», erzählt Hauck. Weil sie von Prozessionen und Marienfesten in ihrer Heimat erzählten, habe sie angeregt, das auch in Bern zu machen. «Das Argument, dass man den Reformierten keine Prozessionen zumuten kann, zählt heute nicht mehr.» Hauck nimmt vielmehr ein neues, unbelastetes Interesse an Maria wahr. «Das sei eine grosse Chance.» Um diese kraftvollen Marienbilder auch in andere Pfarreien zu tragen, findet das Marienfest jedes Jahr an einem Sonntag im Mai in einer anderen Berner Kirche statt.

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