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Mittendrin

Kolumne aus der Inselspitalseelsorge

Ich bin in einem dieser berüchtigten grossen Mehrbettzimmer, liebevoll «sechser Männer-Säli» genannt. Ihre Tage sind angezählt, spätestens mit der Inbetriebnahme des neuen Bettenhochhauses wird es hier still und leer werden. Ein alter Mann – gezeichnetes Gesicht, Schalk in den Augen – winkt mich heran – er wünsche ein Gebet. Aufgrund seines unverkennbaren Walliser Dialekts vermute ich, dass der Mann katholischen Glaubens ist, und frage zur Sicherheit, ob es ok sei, dass ich als reformierter Seelsorger zu ihm komme. Für diese Frage hat der Mann nur eine wegwerfende Handbewegung übrig: Beten könne ich ja wohl auch anständig.

Da macht eine ganze Truppe von Ärzt:innen gerade Visite an einem Bett, dort langweilen sich drei kleine Kinder und versuchen, zwischendurch Fangis zu spielen, hier dröhnt eine laute Stimme in einer fremdländischen Sprache am Telefon und der Patient gegenüber unseres sympathischen Wallisers ist offensichtlich ein Junkie, er stöhnt unter Entzugserscheinungen. Ich schlage vor, den schützenden Vorhang ums Bett etwas zu ziehen, damit wir in diesem besinnlichen Moment ein bisschen abgeschirmt seien.

Doch: «Nein», wird mir beschieden, «es sollen ruhig alle zuschauen – und hören.»

Zuerst noch etwas geniert und von vielen Augen beobachtet, frage ich nach dem Anliegen und was ihm besonders auf dem Herzen liege. Er sei ein schlichter Mann und möchte einfach danken (dafür, dass er bis hierhin so ein schönes Leben gehabt habe und eine gute Frau) und bitten (dass er nun mit dem Krebs würdig sterben könne). Zum Schluss betet der alte Mann das Vaterunser inbrünstig in nie gehörtem altem Walliser Dialekt. Ich merke, dass es still geworden ist um uns. Ich verabschiede mich für heute und sage Danke! Als ich mich bei der Tür noch einmal umdrehe, sehe ich, wie mir mindestens vier Hände winken und sich eine Besucherin eine Träne abwischt.

Pfingsten steht vor der Tür.

Pfr. Kaspar Junker, ref. Seelsorger

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