Bischöfe, die gegenüber dem Vatikan beharrlich die Positionen der Kirche Schweiz vertreten; und «Laien», die im Verlauf der Synode 72 immer klarer ihre Würde als Mitglieder des Volkes Gottes entdecken: Dies fällt mir ein, wenn ich an die Synode 72 zurückdenke.
Von Walter Ludin
Schon im Vorfeld der Synode zeigten unsere Bischöfe Beharrlichkeit. Es störte sie, dass nach den vatikanischen Vorgaben wenigstens die Hälfte der Teilnehmenden Kleriker sein mussten. Sie hätten lieber mehr Laien einbezogen. Dazu fiel ihnen ein «Trick» ein: Auch die Ordensleute sollten zum Klerus zählen, so dass die Laien stärker vertreten waren. Der Vatikan war dagegen. Doch die Bischöfe liessen nicht nach und setzten sich schliesslich durch.
Auch unmittelbar nach der Synode zeigte sich ihre Beharrlichkeit gegenüber «Rom». Nach den guten synodalen Erfahrungen trugen sie den Beschluss der Synodalen in den Vatikan, einen gesamtschweizerischen Pastoralrat zu gründen.
Die oberste Kirchenleitung war offenbar vom Schreck erfüllt, den das 1966 gegründete niederländische «Pastoraal Concilie» mit seiner Reformfreudigkeit ausgelöst hatte. Zum eindeutigen Postulat der Schweizer Kirche kam ein Njet. Darüber orientierte Bischof Pierre Mamie am Gesamtschweizerischen Pastoralforum, das überprüfte, was aus den Texten der Synode geworden war.
Der Präsident der Bischofskonferenz sagte vielsagend, betreff Pastoralrat sei aus Rom noch kein «definitiver Entscheid» eingetroffen. Im Klartext: Wir akzeptieren das vatikanische Nein nicht. Doch der Schweizer Widerstand war vergeblich. Warum ich den Bischöfen rückblickend relativ viel Raum gebe: Sie konnten damals gegenüber Rom selbstbewusst auftreten. Und heute?
Die Laien erwachen
In den drei Synodenjahren konnten die Laien den Bischöfen – wie man heute sagen würde – auf Augenhöhe begegnen. Es gab kein Gegenüber, sondern ein Miteinander. In der Synode des Bistums Basel legte der damalige Bischof Anton Hänggi ein einziges Mal ein Veto ein, und zwar bezüglich des Dokuments über die Sexualität. Der Text, der unter wesentlicher Beteiligung von Jugendlichen entstanden war, ging dem Bischof zu weit. Er wurde überarbeitet. Die meisten waren der Auffassung, er sei besser geworden. Jedenfalls verlief die Angelegenheit auf beiden Seiten ohne jegliche Aggressionen.
Wie sehr das Selbstbewusstsein der Laien gewachsen war, erlebte ich am erwähnten Pastoralforum. Eine Katechetin aus einem kleinen Aargauer Dorf stellte den Bischöfen eine Frage zu den Synodenergebnissen und der Nacharbeit. Wiederum antworte Mamie. Doch die Fragestellerin gab sich mit der Antwort nicht zufrieden. Sie stand auf und hiess den Bischof stehen zu bleiben, bis ihre Anfrage vollständig beantwortet sei. Es war wie in der Schule, wenn Lehrer die Schüler abfragen – nur mit vertauschten Rollen! Ich halte es für unmöglich, dass das Verhalten der Frau vor der Synode denkbar gewesen wäre.
Kardinal Wojtyla an der Synode
Ich möchte noch eine Episode anfügen, deren Hintergründe nur Insidern bekannt sind: der Kurzbesuch des damaligen Kardinal-Erzbischofs von Krakau, des späteren Papsts Johannes Paul II. – eine Enttäuschung. Der Kardinal hielt eine kurze Ansprache und verschwand. Wie mir Ivo Fürer, der Initiant und Präsident der Synode 72 erzählte, war es ganz anders geplant. Er hatte den Krakauer Bischof nämlich als verhältnismässig offen und lernfähig erlebt. Er wollte ihm zeigen, wie Synodalität konkret aussehe. Ohne Erfolg.
Als Ivo Fürer Jahre später mit dem Papst ass, meinte der Pontifex, es sei skandalös gewesen, dass ein einfacher Priester die Synode 72 präsidierte und die Bischöfe ihm unterstellt waren. Der Papst übersah, dass derselbe damalige Priester, inzwischen Bischof geworden, ihm gegenüber sass…