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Bioethik-Kommission fordert Erklärungsregelung

Bischöfliche Kommission bleibt dran.

Die Bioethik-Kommission der Schweizer Bischofskonferenz hat sich mit ihren Bedenken zum neuen Transplantationsgesetz nicht durchsetzen können. Nun wirbt sie für eine Erklärungsregelung. Bei Behördengängen solle die O-Frage gestellt werden: Wie hältst du’s mit der Organspende?

Von Raphael Rauch, kath.ch

Die Niederlage war absehbar. Sämtliche Umfragen sagten den Systemwechsel beim Transplantationsgesetz voraus: von der Zustimmungs- hin zur Widerspruchslösung. Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis sagten 60.2 Prozent der Stimmenden Ja zum neuen Transplantationsgesetz gesagt. 39.8 Prozent waren gegen einen Systemwechsel.

Das Pro-Lager hatte emotionalere Argumente

Konkret bedeutet das: Künftig werden alle Menschen automatisch zu Organspendenden – es sei denn, sie widersprechen explizit. Bislang durften gemäss der sogenannten Zustimmungslösung Organe bei einem Verstorbenen nur entnommen werden, wenn ein Organspendeausweis vorlag oder den Hinterbliebenen der Wille des Verstorbenen bekannt war.

Das Pro-Lager hatte im Abstimmungskampf die emotionaleren Argumente: Mit der Hilflosigkeit einer erkrankten Person, die dringend auf eine Organspende wartet, lässt es sich einfacher werben als mit der Menschenwürde einer toten Person, deren Meinung zum Thema Organspende unbekannt ist.

«Ein Bruch mit dem liberalen Rechtsstaat»

Zu den engagierten Stimmen im Abstimmungskampf gehörte der Luzerner Theologie-Professor Peter Kirchschläger. Der Ethiker lieferte sich im Schweizer Fernsehen ein Duell mit Gesundheitsminister Alain Berset und betonte: «Die Widerspruchslösung wäre ein Bruch mit dem liberalen Rechtsstaat und eine Verletzung der Menschenrechte auf Freiheit und auf körperliche Unversehrtheit.»

Doch auch der eloquente Peter Kirchschläger kam im Wahlkampf an seine Grenzen: Auch für ihn war es schwierig, «den Argumenten von Menschen etwas zu erwidern, die dringend auf ein Organ warten».

Peter Kirchschläger fordert Info-Kampagne

Nach dem klaren Ja zu einem Systemwechsel bei der Organspende fordert Peter Kirchschläger eine breite Info-Kampagne des Bundesamtes für Gesundheit. Die Info-Kampagne sei notwendig, damit niemandem gegen seinen Willen Organe entnommen würden.

«Das Bundesamt für Gesundheit muss die Bevölkerung darauf hinweisen, was ein fehlender Widerspruch bedeutet – mit allen Konsequenzen», sagt Peter Kirchschläger am Sonntag zu kath.ch.

Erweiterte Widerspruchslösung durchaus ein Erfolg

Trotz der Niederlage kann der Ethiker der Abstimmung etwas Positives abgewinnen. Schliesslich hat sich die Schweiz nicht für eine pauschale Widerspruchslösung entschieden, sondern für die sogenannte erweiterte Widerspruchslösung. Diese sieht vor: Wenn der Wille der verstorbenen Person nicht bekannt ist, müssen Angehörige beigezogen werden. Sind keine Angehörige auffindbar, darf kein Organ entnommen werden. 

«Die sonstigen Bemühungen um mehr Organspenden dürfen nun nicht nachlassen», sagt Peter Kirchschläger.

Anik Sienkiewicz fordert Erklärungsregelung

Im Abstimmungskampf hatte auch die Kommission für Bioethik der Schweizer Bischofskonferenz gegen einen Systemwechsel geworben. Beispiele in anderen Ländern hätten gezeigt, dass die Widerspruchslösung nicht zu mehr Organspenden führten. Entsprechend skeptisch zeigte sich am Sonntag auch die Co-Sekretärin der bischöflichen Bioethik-Kommission, Anik Sienkiewicz. Sie geht davon aus, dass die am Sonntag beschlossene Widerspruchslösung sich «sehr bald als unzureichendes Mittel erweisen wird», um mehr Organspenden zu erreichen.

«Dem Bundesrat sollen rasch konkrete Vorschläge für die Erklärungsregelung vorgelegt werden, damit wir künftig nicht mehr so viele unnötige Menschenleben beklagen müssen», sagt Anik Sienkiewicz zu kath.ch.

Die O-Frage: Wie hältst du’s mit der Organspende?

Die Erklärungsregelung sei eine Ergänzung zur nun beschlossenen Widerspruchslösung. Die Erklärungsregelung bedeute, dass alle Menschen dazu aufgefordert werden, zur Frage der Organspende Stellung zu nehmen – etwa bei der Ausstellung von Ausweisen, bei der Erneuerung eines Krankenkassenvertrags oder bei der Steuererklärung.

Die Menschen sollten zwischen vier Punkten auswählen können: «Erstens: Ich bin bereit, alle meine Organe oder einen Teil davon zu spenden. Zweitens: Ich erkläre mich nicht dazu bereit, meine Organe zu spenden. Drittens: Ich nehme dazu nicht Stellung. Viertens: Ich übertrage einer Vertrauensperson meine Entscheidung.» 

Die Bioethik-Komission der Bischofskonferenz erhofft sich durch ein aktives Nachfragen, dass der Wille der spendenden Person besser berücksichtigt wird. 

15.5.2022, 16.45 Uhr: Abstimmungsresultat aktualisiert.

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