Sechs Schweizer Bischöfen wird Vertuschung vorgeworfen. Die Vorwürfe sind so massiv, dass der Vatikan Bischof Joseph Bonnemain als Sonderermittler eingesetzt hat. Er ermittelt gegen seine Mitbrüder Jean-Marie Lovey, Charles Morerod, Alain de Raemy und Jean-Claude Périsset. Die Schweizer Bischofskonferenz bestätigt die laufenden Ermittlungen in einer Medienmitteilung.
Von: Annalena Müller, kath.ch
Die Vorwürfe sind massiv. Sechs Bischöfe sollen aktiv Missbrauchsfälle vertuscht haben. Einem Bischof wird selbst Missbrauch eines Minderjährigen vorgeworfen. Die Vorwürfe hat der SonntagsBlick veröffentlicht. Erhoben hat sie Nicolas Betticher (62), ehemaliger Generalvikar des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg, heute Pfarrer der Benrer Pfarrei Bruder Klaus, in einem Schreiben an den apostolischen Nuntius Martin Krebs (66) im Mai 2023. Dieser hat den Vatikan eingeschaltet, der Bischof Joseph Bonnemain mit der Untersuchung der Vorwürfe beauftragt hat.
Die Vorwürfe
Das Schreiben von Nicolas Betticher liegt dem SonntagsBlick vor. Darin werden schwere Vorwürfe erhoben. Einem aktiven Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz und drei Priestern im Bistum Lausanne, Genf und Freiburg wird vorgeworfen, Jugendliche sexuell belästigt zu haben.
Hinzu kommen Vertuschungsvorwürfe. Diese richten sich gegen Jean-Marie Lovey (73). Der Bischof von Sitten soll nach einem gemeldeten Missbrauch keine Schritte unternommen haben, diesen aufzuklären. Auch Bischof Charles Morerod (61) sieht sich erneut mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert. Er soll bereits 2011 von einem Missbrauchsfall erfahren haben. Anstelle zu intervenieren, beförderte Bischof Morerod den Priester später. Auch Weihbischof Alain de Raemy (64) soll von den Fällen gewusst haben.
Vertuschungsvorwürfe
Weiterhin gibt es Vertuschungsvorwürfe gegen einen früheren Weihbischof, der später als Bischof von Reykjavik (Island) und apostolischer Administrator in Chur tätig war. Dieser streitet laut SonntagsBlick die Vorwürfe ab und droht der Zeitung mit einer Verleumdungsklage.
Auch Jean-Claude Périsset (84), Bischof und ehemaliger Vatikan-Diplomat, wird Vertuschung vorgeworfen. Er soll Ende der 1980er Jahren einen Missbrauchstäter nach Frankreich versetzt haben. Gegenüber dem SonntagsBlick streitet Périsset die Vorwürfe ab. Er sagt, das Kirchenrecht sei damals anders gewesen.
Sonderermittler des Vatikans
Die Vorwürfe wiegen so schwer, dass der Vatikan sich zum Agieren gezwungen sieht. Papst Franziskus hat den Churer Bischof Joseph Bonnemain (75) am 23. Juni zum Sonderermittler bestellt. Das bestätigt die Schweizer Bischofskonferenz in einer Medienmitteilung am Sonntagmorgen.
Im Interview mit dem SonntagsBlick sagt Bonnemain, dass er nicht befangen sei, sondern bemüht ist, «restlos und präzise die Wahrheit herauszufinden». Nach Aussage des Churer Bischofs übten alle Beschuldigten ihre Ämter aktuell noch aus. Im Interview sagt Bonnemain: «Wir müssen alles ans Licht bringen. Die Vertuschung muss ein Ende haben. Das ist ein weiterer Beitrag, damit unsere Kirche ehrlicher werden kann.»