Das Berner Münster - eine «magische» Kirche. Fotos: Vera Rüttimman

Nie mehr nur Sirup beim Berner Münster

Ein persönlicher Blick auf die grösste Kirche Berns

Das Berner Münster wurde im vergangenen Jahr 600 Jahre alt. Die Feierlichkeiten dazu fanden nun zum 601. Geburtstag statt. Das Programm bot viele Highlights. Ein persönlicher Blick von aussen auf die Feierlichkeiten und auf die grösste Kirche Berns.

Von Vera Rüttimann*

Am Berner Münster rauschte ich jahrelang nur mit dem Zug vorbei. In den achtziger Jahren  vor allem auf dem Weg nach Freiburg ins Internat. Dort gab es die Kathedrale St. Nicolas. Die Kirche mit dem abgesägten Dach imponierte mir mehr als das Berner Münster. Und wenn ich auf der Münsterplattform war, besuchte ich dort später meist nur das Café Einstein. Dort gibt es den besten Sirup der Stadt. Bis über das «Jüngste Gericht» am Hauptportal des Münsters schaffte ich es nie hinaus.


Dann aber doch, und wie! Beruflich häufiger hier, begann ich das Münster zu entdecken. Bestieg den Turm und sah auf das von der Aare umflossene Häusermeer. Sah die grösste Glocke der Schweiz. Las mich in die Baugeschichte des Münsters ein. Erkannte, dass diese Kirche, – also doch! –, einst katholisch war. Erfuhr, dass 1986 unter der Münsterplattform 550 Fragmente von Skulpturen zum Vorschein kamen, die einst als Füllmate­rial verwendet worden waren.


Das Highlight nun am 601. Geburtstag des Münsters: Die Führung mit Münsterbaumeisterin Annette Loeffel. Spannend, was sie alles über Kapitelle, Türmchen und uralte Kirchenfenster weiss. Und welchen Pasten und Spachteln sie geflickt werden. Dann stand ich im Gewölbe des Mittelschiffs. Ich atmete den Staub der Jahrhunderte ein. Und dann dieses Licht: Das Abendrot tauche die Glasfenster, die verzierte Decke und die Baugerüste in ein zartes Goldgelb ein. Magisch.


Am Abend sass ich auf einer der windgeschützten Bänke an der Münsterplattform. Und erlebte ein unerwartetes, seltenes Schauspiel. «Mit Glocken und Trompeten» hiess das Stück. Von zwei Seiten kamen plötzlich Bläserformationen. Die Musiker der Brassband Emmental und der Brassband Frohsinn Oberburg bliesen dem Münster keinen Marsch. Sie setzten zu einer vielstimmigen Kakaphonie an. Tumba und Trompete blasend, und im Zickzack durch die Menschenmenge gehend. Hunde jaulten. In diese dissonanten Töne mischte sich dann das Münstergeläut. Feierlich und erhebend. Der 601-Geburtstag des Berner Wahrzeichens war eigeläutet. Nie mehr nur ein Sirup auf der Münsterplattform.

*Vera Rüttimann, Journalistin, Fotografin, Berlin-Schweiz-Pendlerin

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