In der Pfarrei St. Franziskus, Zollikofen, gehen diesen Sommer gleich drei Personen in Pension: der Gemeindeleiter Paul Hengartner, die Sozialarbeiterin Sylvia Rui sowie der Seelsorger Felix Weder (v.r.). Foto: Pia Neuenschwander

Pensionierung hoch drei

Gleich drei Pensionierungen stehen in der Pfarrei St. Franziskus, Zollikofen, an.

In der Pfarrei St. Franziskus, Zollikofen, gehen diesen Sommer gleich drei Personen in Pension: der Gemeindeleiter Paul Hengartner, die Sozialarbeiterin Sylvia Rui sowie der Seelsorger Felix Weder. Ein Rückblick aus drei Perspektiven.

Interview: Anouk Hiedl, Fotos: Pia Neuenschwander

«pfarrblatt»: Was hat Sie in Ihrem Pfarreialltag zum Lachen gebracht?

Paul Hengartner: In den Ferien zeigte ich einem meiner Enkel meinen Arbeitsplatz in Zollikofen. Der neugierige Vierjährige löcherte unsere Sekretärin Christine Mächler mit vielen Fragen, so auch, wer denn ihr Chef sei. Als sie auf mich deutete, musterte er mich von unten bis oben und sagte ungläubig, erstaunt und bewundernd zugleich: «Duuu bisch e Boss?» Oder Heiligabend in der Tiefenaukirche: Der neue Sakristan sollte zum «Stille Nacht» alle Lichter ausschalten. Die Unübersichtlichkeit auf dem Schalttableau liessen ihn die Lichter immer wieder ein- und ausschalten. Bei «O wie lacht…» hatte er es endlich geschafft. Nicht nur ich musste ab dieser «Weihnachts-Disco» lachen.

Sylvia Rui: Mit ihrem brillanten Humor erheitert unsere Sekretärin Christine Mächler meinen eher notlastigen Alltag wesentlich. Ihre spontanen Einfälle und Beiträge und ihr ausserordentliches Talent für Situationskomik und Pantomimik haben, oft zwischen Tür und Angel, einen unmittelbaren und wertvollen Einfluss auf mein Zwerchfell.

Felix Weder: 2013 ging uns beim Kirchentag in Hamburg eine Frau verloren. Ihr Mann war verzweifelt. Gegen 18.00 kehrte sie vergnügt ins Hotel zurück – nach einer Busrundfahrt durch die Stadt – mit ausgeschaltetem Natel.

Was war Ihr grösstes Highlight?

Sylvia Rui: Wenn Klient*innen nach einer harten Krise nicht mehr zu kommen brauchen, ist das immer wieder ein Höhepunkt. Ebenso wie wir uns auf die Zusammenarbeit im Team verlassen konnten. Ich denke auch gern an Merci-Feste und an spezielle Anlässe zurück, bei denen man merkte, ja, der Einsatz hat sich gelohnt. Auch die Lebendigkeit und Herzlichkeit der Menschen gehört dazu, wenn sie in ihrem Element sind – sei es beim interkulturellen Frauentreff, bei Seniorentischen oder auf Ausflügen.

Felix Weder: 2016 fand in Münchenbuchsee ein ökumenischer Gottesdienst zum 50. Jubiläum der katholischen Gottesdienste statt. Die Menschen kamen sich näher. Sechs Asylsuchende hatten zu diesem Anlass für 120 Personen afghanische Spezialitäten zubereitet. Beim Einkaufen des Lammfleischs standen wir zu viert im Laden, und der Metzger fragte uns: «Wer von euch heiratet?» Auch das Tanzprojekt «crescendo» von 2017 bleibt mir unvergessen. Dominique Cardito liess aus Menschen mit und ohne Hörbehinderung ein Ballett entstehen, das in Riehen und in der offenen Kirche Elisabethen in Basel aufgeführt wurde.

Paul Hengartner: Für mich waren es die Pfarreireisen nach Thüringen, Chartres und Assisi und die Anlässe zum 60. Jubiläum der Pfarrei St. Franziskus, Zollikofen, insbesondere das brillante Chorkonzert des Franziskuschors mit dem Schülerchor Köniz. Auch «Judas», ein Gastspiel des Theaters Bern, war ein Highlight.

Was hat Ihnen schlaflose Nächte bereitet?

Sylvia Rui: Wenn ich zu viele dringende Fälle auf einmal zu bearbeiten hatte und gleichzeitig noch andere Verpflichtungen im Pfarreigeschehen meine Aufmerksamkeit forderten. Zu viel zu schnell zu gleichzeitig…

Felix Weder: Es gab Dinge, die mich nicht schlafen liessen. Unterstützt von meinen Träumen habe ich mich im Loslassen geübt.

Paul Hengartner: Die Verantwortung, fundierte Entscheidungen zu treffen und dafür einzustehen, zum Beispiel beim Verkauf der Kirche Heilig Kreuz in Bremgarten, vor Mitarbeitergesprächen, wenn es nicht rund lief oder bei der Umsetzung von Corona-Massnahmen. Manchmal bereitete mir auch die Zusammenarbeit mit reglementverliebten Verwaltungsvorgesetzten Kopfzerbrechen. Ja, es tat weh, meine ausgewiesene Kompetenz bei der Jurierung des dritten Bauprojekts für den Neubau des Pfarreisaals Zollikofen nicht direkt einbringen zu dürfen.

Wo sind Ihre Pfarreien ein Beispiel für andere?

Paul Hengartner: Vergleiche schätze ich nicht so sehr. Das Pfarreileben gestaltet sich immer in einem gewissen Kontext, den es als leitende Person zu erkennen und zu fördern gilt. Dank dem Engagement von pfarreiverbundenen Katechetinnen und dem Jugendarbeiter gibt es in St. Franziskus zum Beispiel viele Ministrant*innen, gut besuchte Firmkurse 17+ und eine sehr grosse Pfadi.

Welche Rolle hat die Ökumene bei Ihrer Arbeit gespielt?

Sylvia Rui: Unsere ökumenische Zusammenarbeit hat zu mehreren sinnvollen Angeboten, z. B. im Bereich Altersarbeit oder Erwachsenenbildung geführt. Im Vorstand unseres interkulturellen Frauentreffs habe ich erlebt, wie Interkulturelles und Interreligiöses miteinander gefördert und wertgeschätzt werden können. Da wird sehr viel wertvolle Integrationsarbeit geleistet und Beheimatung genährt.

Felix Weder:
Ich habe in Münchenbuchsee eine sehr gute Ökumene erlebt: Für die Shibashi-Kurse wurde mir der Pfarrgarten angeboten, und wir bekamen für unsere Gottesdienste ein Weihwassergefäss geschenkt. Der historische Kelch der Johanniter-Kommende hat seinen Platz beim Abendmahl und bei katholischen Gottesdiensten. Er erinnert an unsere gemeinsamen Wurzeln.

Paul Hengartner: Da die beiden Pfarrämter in Bremgarten mittlerweile unter einem Dach sind, ergibt sich ökumenische Zusammenarbeit von selbst. In Zollikofen und Jegenstorf sind die Verbindungen zwischen katholischen und reformierten Gebäuden offiziell als «Ökumenewege» bezeichnet. Nebst Gottesdiensten werden immer wieder auch ökumenische Erwachsenenbildungsreihen und Seniorenanlässe durchgeführt.

Hat sich der Glaube in den letzten Jahrzehnten verändert?

Sylvia Rui: Ich habe nicht viel Zugang dazu. Immer wieder tief beeindruckt hat mich aber der unbeirrbare Glaube vieler alter Frauen. Als Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben sie oft unvorstellbar unter den Dogmen der katholischen Kirche gelitten und Schreckliches erduldet – beim Zuhören stellen sich die Nackenhaare auf. Und dennoch glauben sie.

Tut Ihre Pfarrei genug für Benachteiligte?

Sylvia Rui: Für mich stellt sich eher die Frage, ob der Pfarrei genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, um z. B. Armutsbetroffene adäquat zu unterstützen. Und ob die Frage letztlich nicht die ist, ob eines der reichsten Länder auf diesem Planeten ein so hohes Armutspotential als Kollateralschaden in Kauf nehmen darf.

Paul Hengartner: Ich schätze die grossartige Arbeit unserer Sozialarbeiterinnen. Von der FASA haben sie auch fachlichen Support, das entlastet mich sehr.

In welchem Bereich haben Ihre Pfarreien Luft nach oben?

Sylvia Rui: Ich hoffe, dass die Neubesetzung von gleich zwei Sozialarbeiterinnen – mit angepassten Stellenprofilen und neuer Aufgabenteilung zwischen Gemeinwesen- und Altersarbeit – mehr Raum für Gestaltung schaffen wird.

Paul Hengartner: Nach Corona und der Fertigstellung der neuen Pfarreiräume in Zollikofen muss einiges wiederbelebt oder ganz neu angepackt werden – eigentlich eine sehr dankbare und motivierende Aufgabe für die Nachfolgenden.

Was sollten diese unbedingt mitbringen?

Paul Hengartner: Liebe und Freude, mit Menschen und ihren Glaubensfragen unterwegs zu sein. Geduld und Zuversicht. Und ein weiter Horizont sowie Interesse für die Planung und Entwicklung des Pfarreilebens und der Kirche.

Felix Weder: Ein weites Herz, Humor und Vertrauen auf Gottes Wirken.

Sylvia Rui: Ein dickes Fell – was sich hier an Not die Klinke in die Hand gibt, will ausgehalten werden. Liebe und Zeit zuzuhören. Und das Allerwichtigste: immer den Menschen hinter dem Anliegen sehen können.



Abschiedsgottesdienste

Für Felix Weder:
Sonntag, 30. Mai, 10.00, ref. Kirche Münchenbuchsee.
Für Paul Hengartner: Sonntag, 27. Juni, 09.30, Kirche St. Franziskus, Zollikofen, und Sonntag, 4. Juli, 11.00, Kirche St. Johannes, Bremgarten.
Für Sylvia Rui: Sonntag, 22. August, 09.30, Kirche St. Franziskus, Zollikofen.

Weitere Infos: www.kathbern.ch/zollikofen


 

 

Paul Hengartner war 40 Jahre im Bistum Basel tätig: erst als Katechet und Jugendarbeiter in Ostermundigen und Bischofszell, ab 2002 als Gemeindeleiter in Suhr-Gränichen und seit 2013 als Gemeindeleiter der Pfarreien St. Franziskus, Zollikofen, und Heilig Kreuz, Bremgarten. Zufrieden schaut er auf eine herausfordernde, aber erfüllte Arbeitszeit in diesen Pfarreien zurück. Jetzt möchte er «zuerst gut hinspüren, wie sich Pensionierung anfühlt». Er freut sich auf den neuen Lebensabschnitt mit mehr Zeit für seine Partnerschaft und Enkel, zum Wandern, Fotografieren und Reisen.

 

 

 

 

Sylvia Rui ist seit 2007 Sozialarbeiterin der Pfarrei St. Franziskus, Zollikofen. Ihre Laufbahn startete sie in Berlin, lebte dann lange in Freiburg i. Br. und war selbstständig tätig. Ab 2006 arbeitete sie erst in den Berner Pfarreien Dreifaltigkeit und Bruder Klaus. Nach ihrer Pensionierung Ende August wird sie wieder vermehrt therapeutisch tätig sein und sich vor allem begeistert als Grossmutter engagieren.

 

 

 

 

 

 

Felix Weder ist seit 2009 Gehörlosenseelsorger von «verstehen?!» in den Kantonen Bern, Solothurn, Basel-Stadt und Basel-Land sowie Pfarreiseelsorger in Münchenbuchsee. Zuvor war er Seelsorger in Birsfelden, Lima (Peru) mit der Bethlehem Mission Immensee, Niederbuchsiten, Biel und den Solothurner Spitälern SoH. Nach seiner Pensionierung Ende Juni wird er auf dem Jakobsweg bis Finisterra pilgern und anschliessend offen sein für Neues.

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