Ein Salbungsritual. Schale mit Mandelöl, Johanneskraut, Rosmarin,- Salbei und Thymian. Ein betörend riechendes Gemisch entsteht.

Salbungsritual in einem besonderen Sommer

Kräuterweihe in der «offenen kirche bern»

Ein Tag nach Maria Himmelfahrt trafen sich in der «offenen kirche bern» Frauen zum «Frauenritual zur Kräuterweihe». Ein berührendes Salbungsritual, bei dem es den Frauen um weit mehr geht als um das Zusammenbinden von Sträussen.

von Vera Rüttimann

In der «offenen kirche bern» riecht es an diesem Abend betörend. Woher kommt der Duft? Auf den Kirchbänken breiten Frauen unterschiedlichste Pflanzen aus. Viele haben sie aus ihren eigenen Gärten mitgebracht. Unter dem Grünzeug sind Heilpflanzen wie Eisenkraut, Johanniskraut und Minze. Auf einer anderen Bank liegen Salbei, Rosmarin und Wermut.

Im goldenen Abendlicht werden die vielen einzelnen Kräuter mit flinken Fingern zu dicken Wurzbüscheln zusammengebunden. Es entstehen kleine Kunstwerke. Während dieser Szenerie spielt eine Frau auf ihrer Querflöte immer wieder das «Thymian»-Lied.


Isabelle Schreier vom Team der «offenen kirche bern» erzählt den ein Dutzend anwesenden Frauen über den Hintergrund dieser Salbungsfeier. Im Frauendreissiger, in der Zeit zwischen Maria Himmelfahrt und Maria Geburt, seien die Heilkräfte der Pflanzen besonders intensiv. «Schon seit langer Zeit sammeln Frauen während im Spätsommer Heilkräuter. Sie machen daraus Tee, Tinkturen oder Suppen», weiss Isabelle Schreier. Und natürlich wache über den Kräutern Maria, die Patronin der heilenden Schutzpflanzen.

Pflanzen-Meditation

Susanne Grädel lässt in ihrer Meditation die Pflanzen in den Köpfen der Anwesenden lebendig werden. Jede Heilpflanze hat eine bestimmte Bedeutung. Die Kommunikationsverantwortliche der «offenen kirche bern» fragt: «Welche Pflanze spricht zu dir? Ist es der Rosmarin, der anregt und vitalisiert? Was macht dich so richtig lebendig?» Sie fragt weiter: «Ist es der Duft des Lavendels, der beruhigt und beschützt. Von wem wirst du beschützt und wo kannst du Kraft tanken?» Oder, fragt sie weiter, «ist es die erfrischende Minze, die dich fragt: Wie kannst du mich reinigen, so dass ich alles loslassen kann, was mich belastet?»

Salbungsritual

Das Frauenritual ist ein Salbungsritual. Die Frauen stellen nun mit Teilen von ihren zusammen gebundenen Sträussen eine Ölmischung her. In eine Schale mit Mandelöl, gemischt mit Johanneskraut, legen sie Rosmarin,- Salbei oder Thymian-Blätter hinein. Ein betörend riechendes Gemisch entsteht.

Danach beginnt das Salbungsritual. Die Frauen treten vor die Schale. Bevor sie von einer anderen Frau gesalbt werden, erzählen sie, was ihnen einzelne Pflanzen bedeuten. Sie sprechen dabei auch von Schicksalsschlägen und Lichtpunkten in ihrem Leben. Der Akt der Salbung hat etwas Intimes. Wenn das Öl auf die Stirn, an den Hals oder auf die Brust gerieben wird, ist es in der Runde ganz still.

Besondere Atmosphäre

Susann Grädel gefällt der intime Rahmen, in dem dieses Frauenritual stattfindet. «Es ist untereinander ein grosses Vertrauen da. Hier können sich Frauen vor Menschen öffnen, die sich vielleicht noch nie begegnet sind», sagt sie. Das liege wohl an der kleinen Runde als auch an der «offenen kirche», deren Atmosphäre eine besondere Ruhe ausstrahle. Dazu trägt auch die Musikerin Isabel Lerchmüller bei. Sie begleitet stimmungsvoll durch den Abend.

Gefährdete Natur

Die «offene kirche bern» riecht noch immer nach frischen Kräutern. Jetzt nehmen die Teilnehmerinnen dieser Feier ein kleines Fläschchen. Sie füllen es mit der würzigen Öl-Tinktur ab. Vielen ist dabei wohl bewusst: Dieser Sommer ist eine Katastrophe. Leere Flüsse, tote Fische und vertrocknete Pflanzen. Das ökologische Gleichgewicht kippt, die Natur ist in Gefahr. Auch Susann Grädel sinniert: «Gerade in diesem speziellen Sommer können wir dankbar sein für all das, was wir pflücken können.»

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