Die Kirche vor Ort könne mit neuen Lehrentwicklungen die Weltkirche bereichern, meint Thomas Schüller. Foto KNA, Lars Berg

Schweizer Bischöfe könnten «freier und mutiger auftreten»

Sagt der Kirchenrechtler Thomas Schüller

Thomas Schüller* zählt zu den führenden Kirchenrechtlern im deutschsprachigen Raum. Er kritisiert eine Aussage von Bischof Felix Gmür, wonach eine «Person, die in einer kirchlich nicht anerkannten Partnerschaft lebt», keine Missio erhalten könne.

von Raphael Rauch, kath.ch

Das «Pfarrblatt Bern» hatte dem Basler Bischof Felix Gmür die Frage gestellt: «Wird es im Bistum Basel möglich sein, dass auch queere Personen eine Missio erhalten können, also beispielsweise die offizielle Beauftragung durch den Bischof als Pfarreiseelsorger:in?» Daraufhin antwortete Bischof Felix Gmür: «Die sexuelle Orientierung ist nicht relevant. Was für die Kirche aber relevant ist, das ist die Partnerschaft. Es geht nicht um die Orientierung, sondern darum, wie man mit dieser Orientierung umgeht. Letztlich ist es eine Frage der Moraltheologie. Sie lässt es nicht zu, einer Person, die in einer kirchlich nicht anerkannten Partnerschaft lebt, eine Missio zu erteilen. Die Moraltheologie ändert sich aber laufend. Wie das weltkirchlich weitergeht, kann ich nicht abschätzen.»

Was ist von dieser Aussage zu halten? Thomas Schüller lehrt an der Uni Münster und zählt zu den führenden Kirchenrechtlern im deutschsprachigen Raum. Für ihn steht fest: Die Schweizer Bischöfe wären in der Lage, «auf die veränderten Rahmenbedingungen adäquat reagieren zu können – wenn sie es nur wollen und nicht Weltkirche und angeblich noch nicht vorliegende Ergebnisse der Moraltheologie vorschieben, um ihre offenkundige Reformunwilligkeit zu kaschieren», sagt Thomas Schüller zu kath.ch.

«Klassisches Keulen- oder Totschlagargument»

Die Moraltheologie habe längst geliefert, findet Thomas Schüller. «Nur das bischöfliche Lehramt rezipiert diese neuen Ergebnisse nicht. Das ist das Problem. Das faktische Schisma in moraltheologischen Fragen geht mehrheitlich von den Bischöfen aus, die moderne moraltheologische Erkenntnisse, die auf den aktuellen humanwissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, weithin ignorieren und einem naturrechtlich fixierten Verständnis von Moral und Sexualität anhängen.»

Der Verweis auf die Weltkirche sei ein «klassisches Keulen- oder Totschlagargument, um sich etwa in der Schweiz nicht den Herausforderungen wirklich zu stellen. Seit wann erfolgt die Lehrentwicklung nur einseitig von der Weltkirche, der Zentrale in Rom in die Teilkirchen, die Diözesen?»

Gmür könnte «freier und mutiger auftreten»

Thomas Schüller betont: «Auch die Kirchen vor Ort könnten mit mutigen Bischöfen vor Ort die Weltkirche mit neuen Lehrentwicklungen bereichern.» Zudem gelte schon immer die kulturelle Vielfalt in der römisch-katholischen Kirche. «Wenn Gmür das Programm der heilsamen Dezentralisierung von Papst Franziskus wirklich ernst nehmen würde, könnte er freier und mutiger auftreten.»

Die Vergabe der «Missio canonica», der bischöflichen Beauftragung, sorgte zuletzt im synodalen Prozess und wegen der Aktion «OutInChurch» für Diskussionen. Geschiedene Seelsorgerinnen und Seelsorger, die ein zweites Mal heiraten oder schwul oder lesbisch sind, müssen damit rechnen, keine bischöfliche Beauftragung zu erhalten oder diese zu verlieren.


* Thomas Schüller ist Professor für Kirchenrecht und Direktor des Instituts für Kanonisches Recht der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.

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