Trotz Wind und Regen: Ostermarsch in Bern

«Schweizer Neutralität ist eine Profit-Neutralität»

Der diesjährige Ostermarsch stand im Zeichen des Kriegs in Gaza

Ratlosigkeit und Trotz dominierten den diesjährigen Ostermarsch in Bern. Ungefähr 500 Menschen zogen am Ostermontag bei Wind und Regen zum Berner Münster. Sie stehen ein für Frieden, gegen Profitgier und die Hoffnung, dass es besser wird. Kath.ch ist mitgelaufen.

Annalena Müller

Ungefähr 500 Menschen - die Organistor:innen sprechen von 800 - haben am diesjährigen Ostermarsch teilgenommen. Die Veranstaltung stand unter dem Motto «Demilitarisierung statt Aufrüstung». Im Fokus standen die militärischen Konflikte in der Ukraine und Israel. Nationalrätin Marionna Schlatter (Grüne) kritisierte die Doppelmoral der Schweizer Regierung scharf. Diese wolle nicht über russische Milliarden in der Schweiz reden und verstecke sich hinter einer Neutralität, die nicht friedens-, sondern profitorientiert sei.

Keine Waffenexporte

Die Teilnehmenden sind sich einig: Keine Waffenexporte. «Lieber Care statt Militär» fordern die Theologin Esther Gisler Fischer und ihr Mann Peter Fischer, Mitglied der reformierten Kirchensynode Zürich. Anstatt Waffen über Deutschland in die Ukraine zu liefern, solle die Schweiz die EU-Sanktionen gegen Russland vollumfänglich umsetzen und Care-Arbeit anerkennen, so Peter Fischer gegenüber kath.ch.

Nicht nur keine Exporte, sondern auch eine Schweizer Abrüstung fordert Anna, die nur ihren Vornamen nennt. Ob diese Forderung nicht auf den militärischen Puffer der Nachbarländer baue? «Wenn alle so argumentieren, wird es immer Krieg geben. Vielleicht wäre es umgekehrt zu denken, dass wir mit Abrüstung andere Länder anstecken können», sagt sie.

Luise denkt ähnlich und verweist auf die hiesige Tradition der «guten Dienste». «Wir sollten die Weltmächte zum Verhandeln bewegen.» Und wenn die nicht verhandeln wollen? «Weiter versuchen. Ich denke, die Schweiz hat vielleicht ein paar Druckmittel. Ich kann mir vorstellen, dass sich da etwas machen lässt.»

Hoffnung statt Doppelmoral

Vom Eichholz ziehen die Friedensbewegten am Montagnachmittag an der Aare entlang zum Berner Münster. Viele der Teilnehmenden sind jenseits der 50, sie tragen ihre Friedensfahnen heute auch mit etwas Trotz. Denn Antworten, wie eine Friedenspolitik in einer Welt aussehen kann, in der einige Parteien keinen Frieden wollen, hat am heutigen Tag niemand.

Auch Marionna Schlatter nicht. Aber für die Grünen-Nationalrätin heisst das nicht, dass die Schweiz vom Elend der Welt profitieren dürfe. Schlatter geisselt in ihrer Rede die Doppelmoral der Schweizer Politik. «Ich bin Teil eines Parlaments, das seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine gerade mal zustande gebracht hat, die Kriegsmaterialexport-Gesetzgebung zu lockern, so dass Schweizer Kriegsmaterial wieder in Länder exportiert werden kann, die Menschenrechte verletzen, nicht aber in die Ukraine.» Die Neutralität der Schweiz nennt sie eine «Profit-Neutralität», denn eine «Friedens-Neutralität» wäre unvereinbar mit «einer exportorientierten Rüstungsindustrie».

Leid in Gaza

Auch hinsichtlich des Krieges in Gaza dominiert Ratlosigkeit. Der jüdische Friedensaktivist Jochi Weil-Goldstein befürchtet in seiner Rede auf dem Münsterplatz, dass es für die Zweistaatenlösung, von der er vor 40 Jahren träumte, heute zu spät ist. Zu gross sei der Hass und das Misstrauen auf beiden Seiten.

Einen Einblick in den Alltag der palästinensischen Bevölkerung, die sich auch im Westjordanland wie Menschen zweiter Klasse fühlten, gibt die palästinensisch-schweizerische Friedensaktivistin Shirine Dajani. Das Bild der palästinensischen Arbeiter:innen, die Häuser für jüdische Siedler:innen bauen und dafür morgens um 02.00 an Checkpoints Schlange stehen, macht betroffen.

Gute oder wenigstens hoffnungsvolle Stimmung ist bei diesem Ostermarsch kaum spürbar. Das liegt nicht nur an dem schlechten Wetter, sondern auch an der Ratlosigkeit. Was kann man Konflikten und autoritären Machthabern entgegensetzen, um eine friedlichere Welt zu schaffen? Die grosse Frage bleibt offen. Aber kleine Antworten waren zu hören: weniger Doppelmoral, mehr Care und «weiter versuchen». kath.ch

 

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