Georges Schwickerath (53), Bischofsvikar im Bistum Basel, hat die Schweizer Bischofskonferenz vom 3. bis 5. Februar als Beobachter beim Synodalen Weg in Deutschland vertreten. Er findet: «Es ist höchste Zeit für Veränderungen.»
Interview: Raphael Rauch
Sie haben als Vertreter der Schweizer Bischofskonferenz den Synodalen Weg in Frankfurt beobachtet. Es gab wegweisende Abstimmungen zur Machtfrage, aber auch zu den Themen Frauen, Pflichtzölibat und LGBTQI. Wie hätten Sie abgestimmt, wenn Sie Stimmrecht gehabt hätten?
Georges Schwickerath*: Ich hätte dafür gestimmt. Die Texte sind sehr fundiert geschrieben: biblisch-theologisch, von der Tradition her denkend. Um die Texte ist ernsthaft gerungen worden. Die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt und die Kirche muss Antworten finden, damit ihre Botschaft für die Menschen verständlich und lebbar ist. Ich weiss nicht, ob das so schnell geht, wie man sich das in Frankfurt wünscht. Aber der Wille zur Veränderung ist da – das war deutlich zu spüren.
Können Sie als Bischofsvikar sagen: Ich setze in meiner Bistumsregion schon jetzt etwas konkret um, zum Beispiel: Das Privatleben von kirchlichen Mitarbeitenden ist privat – und geht die Kirche nichts an?
Als Bischofsvikar habe ich diese Möglichkeit nicht. Ich bin der Stellvertreter des Bischofs – und der Bischof ist massgebend. Und der Bischof wiederum ist eingebunden in die Struktur der Kirche. Das ist doch unser Dilemma: Wir würden im Bistum Basel gerne vorwärtsmachen, aber die grossen Fragen hängen leider von Rom ab.
Haben Sie sich auf dem Synodalen Weg in Frankfurt wohlgefühlt – oder war Ihnen das zu parlamentsähnlich, zu sehr zack-zack?
Mir haben die Diskussion gut gefallen. Es war sehr gut organisiert. Und das Zack-Zack fand ich auch gut. Es wurde nicht lang rumgeredet, sondern es gab pointierte Statements. Längere Beratungen gab es ja im Vorfeld. Es war schön, zu sehen: Wir sind mit unseren Überlegungen nicht alleine. Es gibt nicht nur eine Schweizer Sicht auf die Dinge, sondern durch die ganze Kirche in Westeuropa geht ein Ruck. L’idée fait la force: Wenn wir gemeinsam an den gleichen Themen arbeiten – wer weiss, vielleicht bewegt sich etwas.
So richtig überzeugt sind Sie nicht, dass sich was ändert…
Wir sind eine Weltkirche. Mein Kollege im Bischofsrat, Bischofsvikar Valentine Koledoye, erzählt immer wieder, dass die Menschen in Afrika andere Probleme haben. Wie kommen wir in der Weltkirche gemeinsam voran? Vielleicht bekommen die Teilkirchen mehr Autonomie. Ich würde das sehr begrüssen.
Als Luxemburger kennen Sie die deutsche und die französisch geprägte Kirche bestens. Was bedeutet das für den Röstigraben in der Schweizer Bischofskonferenz?
Ich bin nicht Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz. Aber ich habe mich in Frankfurt auch mit dem Beobachter der Französischen Bischofskonferenz und anderen ausländischen Beobachter:innen ausgetauscht. Es kam klar zum Ausdruck: Die Themen von Frankfurt sind überall Thema. Doch die Virulenz, mit der diskutiert wird, ist dann doch sehr unterschiedlich. Auch die Katholizität in Frankreich ist anders. Unter den praktizierenden Katholik:innen gibt es in Frankreich weniger progressive Kräfte.
Wo verorten Sie das Bistum Basel im internationalen Vergleich?
Im Bistum Basel sind wir in manchen Bereichen sehr fortschrittlich. Im Bistum Basel dürfen auch Frauen und männliche Laien Kinder taufen und dem Trausakrament assistieren. Und anders als in manchen deutschen Bistümern dürfen im Bistum Basel alle Theologinnen und Theologen predigen – es müssen keine Kleriker sein. Bei der Bischofswahl werden schon jetzt die Räte beratend hinzugezogen.
Sie stammen aus Luxemburg. Wie gut kennen Sie Kardinal Jean-Claude Hollerich?
Ganz gut, er war Spiritual, als ich im Priesterseminar in Luxemburg war. Wenn ich in Luxemburg bin, sehen wir uns leider viel zu selten.
Hollerich sagte erst letzte Woche: «Bei uns wird niemand gekündigt, weil er homosexuell ist, bei uns wurde auch nie jemand deswegen gekündigt.»
Auch ich bin überzeugt: Wir brauchen eine neue Sexualmoral. Auch Frauen sollen Priesterinnen werden können. Und der Zölibat soll freiwillig sein. Aber ich kann das nicht entscheiden.
Kardinal Hollerich gehört zu den progressivsten Kardinälen der Weltkirche. Erst vor ein paar Tagen hat er klar für eine neue Sexualmoral plädiert. Er ist auch fürs Frauenpriestertum. Kann er sich so frei äussern, weil er Luxemburger ist – oder weil er Jesuit ist und ein Vertrauter von Papst Franziskus?
Kardinal Hollerich ist viel rumgekommen in der Welt. Er war länger in Japan und ist sehr weltoffen. Mit seinem Blick auf die Gesellschaft und seiner Analyse der Kirche ist er sehr realistisch. (kath.ch)
* Georges Schwickerath (53) ist Bischofsvikar für die zweisprachige Bistumsregion St. Verena mit Sitz in Biel. Er stammt aus Luxemburg und ist Doppelbürger Luxemburg/Schweiz mit Heimatort Bern. Zusammen mit Daniel Kosch ist er Beobachter am Synodalen Weg in Deutschland.
Die Vollerversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt debattierte vom 3. bis 5. Februar über eine moderne Sexualmoral, eine Neubewertung von Homosexualität, die Öffnung des Weiheamts für Frauen und die Lockerung des Pflichtzölibats. Die Texte wurden per Abstimmung zur weiteren Bearbeitung angenommen. Definitiv verabschiedet wurde ein Text zu einem anderen Umgang mit Macht. Zur Versammlung gehören alle 69 Bischöfe, 69 Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholik:innen (also Nichtkleriker:innen) und 92 weitere Vertreter:innen. Für die Beschlüsse ist eine Zweidrittelsmehrheit der Bischöfe nötig. Sie sind für die Weltkirche nicht verbindlich, können aber eine Signalfunktion für andere lehramtliche Instanzen haben. Die Arbeit geht nun in Foren weiter, die nächste Vollversammlung ist im September. sys