Bischof Markus Büchel.
© Regina Kühne

St. Galler «Wir sind Ohr»-Umfrage

Kirche schliesst Frauen, LGBTQI+, Geschiedene und Jugendliche aus

1090 Menschen haben sich an der «Wir sind Ohr»-Umfrage zum synodalen Prozess im Bistum St. Gallen beteiligt. In der Kommunikationskultur schneidet das kleinste deutschsprachige Bistum der Schweiz besser ab als Basel und Chur.

von Raphael Rauch, kath.ch

Nach Basel und Chur hat am Freitagabend das Bistum St. Gallen die Ergebnisse der «Wir sind Ohr»-Umfrage vorgestellt. Und zwar an einem historischen Ort: dem Saal von St. Peter in Wil SG, wo vor 50 Jahren die Synode 72 tagte. Bischof Markus Büchel war damals Theologie-Student und protokollierte die Sitzungen. Nun nahm er als Bischof von St. Gallen die Ergebnisse des Instituts «GFS Bern» entgegen.

Wer wird ausgeschlossen?

Die Ergebnisse fallen oft ähnlich aus wie bei der «Wir sind Ohr»-Umfrage in den Bistümern Basel und Chur. 64 Prozent geben in St. Gallen an, dass Frauen in der katholischen Kirche nicht die gleichen Rechte erhalten wie Männer. 56 Prozent und 55 Prozent sehen LGBTQI+-Menschen und Geschiedene aussen vorgelassen. 51 Prozent gaben an, dass Jugendliche zu wenig gehört werden.

Zugleich würdigt die Umfrage auch das soziale Engagement der Kirche. Für 63 Prozent steht fest: Kirchgemeinden zeigen mit ihrer Projektunterstützung ein wichtiges soziales Engagement für Randgruppen. 57 Prozent sagen: «Viele Angebote für Minderheiten werden durch die Kirche mitfinanziert und mitgetragen.»

Es gibt auch Unterschiede zwischen den Deutschschweizer Bistümern. «Es fällt auf, dass sich die Dialoggruppen im Bistum St. Gallen, verglichen mit den Bistümern Basel und Chur, von den Führungspersonen im Bistum deutlich eher gehört und verstanden fühlen», schreibt das Institut «GFS Bern».

Andere Kommunikationskultur 

29 Prozent fühlen sich im Bistum St. Gallen von den Führungspersonen im Bistum verstanden – im Bistum Basel waren es 13 Prozent, in Chur 8 Prozent. «Vom Papst fühlen sich die Dialoggruppen dann aber in allen drei Bistümern praktisch gleich gut gehört», schreibt «GFS Bern».

Zurücklehnen kann sich die St. Galler Bistumsleitung aber nicht. Auf die Frage: «Wo wird man nicht gehört?» fällt mit 53 Prozent die häufigste Antwort auf die Führungspersonen. Chur schneidet mit 54 Prozent leicht schlechter ab – gefolgt von Basel mit 65 Prozent.

«Elite-Basis-Konflikt»

«GFS Bern» stellt einen «Elite-Basis-Konflikt» fest. Der Dialogprozess zeige, «dass zwischen der katholischen Kirche als Organisation und der Basis ein Graben vorhanden ist». Entscheidungen würden als intransparent und stark personenabhängig wahrgenommen.

«Die Struktur der Kirche wird zwar als Problem wahrgenommen, die Kritik, die geäussert wird, scheint aber etwas weniger dringlich zu sein als in anderen Bistümern», schreibt «GFS Bern».

Traditionelle Wertevorstellungen haben «nur am Rand Platz»

Wie auch in Chur und Basel gebe es in St. Gallen Stimmen, die sich «eine stärkere Rückbesinnung auf traditionelle Werte und Normen wünschen». Rund ein Drittel der Dialoggruppen ist laut «GFS Bern» im Bistum St. Gallen der Meinung, «dass traditionelle Wertevorstellungen oft nur am Rand Platz haben. Und für viele ist es zunehmend so, dass sie sich als Gläubige und bekennende Katholiken selber marginalisiert fühlen.»

Hintergrund der Umfrage ist der synodale Prozess, den Papst Franziskus am 17. Oktober weltweit gestartet hat. 2023 diskutieren die Bischöfe in Rom darüber. 

Ein «echtes Wunder»: Basel, Chur und St. Gallen spannen zusammen

Rom hatte zum synodalen Prozess zehn Themenfelder vorgegeben, aus denen das Bistum Basel 27 Fragen und die «Wir sind Ohr»-Kampagne entwickelt hatte – zusammen mit den Bistümern Chur und St. Gallen.

Franz Kreissl, Pastoralamtsleiter in St. Gallen, sprach am Freitagabend bei der Vorstellung der Ergebnisse von einem «echten Wunder», dass die Deutschschweizer Bistümer mittlerweile so gut zusammenarbeiten. Er spielte damit auf den Klimawandel in der Schweizer Bischofskonferenz mit dem neuen Bischof von Chur an, Joseph Bonnemain.

In Basel haben am meisten mitgemacht

1090 Menschen sind im Bistum St. Gallen der «Wir sind Ohr»-Umfrage gefolgt, haben in Gruppen die Köpfe zusammengesteckt und bis zu 27 Fragen beantwortet. Gemessen an den rund 200’000 Katholikinnen und Katholiken im Bistum St. Gallen entspricht das 0.54 Prozent. In Basel war die Beteiligung höher (0.66 Prozent), in Chur deutlich niedriger (0.27).

Bereits im Januar hatte das Institut «GFS Bern» mitgeteilt, die «Wir sind Ohr»-Umfrage sei durch das mehrstündige Diskutieren in Gruppen deutlich aufwändiger als bei klassischen Meinungsumfragen.

Wen einbinden? Frauen, Freikirchen, Ökobewegung

Am Freitagabend diskutierten 90 Menschen in Wil SG die Ergebnisse. Auf die Frage «Welche Themen müssen nach Rom gemeldet werden?» folgten verschiedene Antworten: von Missbrauch über Priesterinnen und Pflichtzölibat bis hin zur Liturgiereform. Ähnlich vielfältig waren die Antworten auf die Frage: «Wer muss eingebunden werden»? Genannt wurden etwa «Frauen», «Junge», «Zweifler», «junge Familien», «Freikirchen» oder die «Ökobewegung».

«Wie geht’s nun weiter?», wollten manche im Saal wissen. Nun entsteht ein diözesaner Bericht, der an die Bischofskonferenz geht. Dort wiederum entsteht ein nationaler Bericht. «Alles wird in einen Topf geworfen», sagte Pastoralamtsleiter Franz Kreissl. Auch wenn die Bistümer in der Schweiz zum Teil verschieden tickten, solle sich die Vielfalt im Bericht widerspiegeln. Alle Berichte würden veröffentlicht.

«Schweiz hat einen begrenzten Einfluss»

Bischof Markus Büchel sagte, auch der nationale Bericht solle mit partizipativen Elementen entstehen. Dann ginge der Bericht nach Rom. «Hier hat die Schweiz einen begrenzten Einfluss», sagte Franz Kreissl. «Umso wichtiger ist es, dass wir hier vor Ort weitermachen.»

Hier geht es zur Medienmitteilung von «GFS Bern», hier zum Bericht des Bistums St. Gallen.

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