Ute Knirim ist Pfarreiseelsorgerin in Köniz und Wabern. Foto: Pia Neuenschwander

Sünden sind «entgleiste Energie»

Im Beichtstuhl: Ute Knirim

Ute Knirim, Pfarreiseelsorgerin in Köniz und Wabern, über Sünde, Scham, Gewissen und Würde.

Interview: Katharina Kilchenmann

Was ist Ihre grösste Sünde?

Der Zorn. Wenn ich sehe, was in der Welt passiert, dann überkommt mich manchmal eine grosse Wut. Dabei spüre ich den Impuls, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, weiss aber, dass das nichts bringt.

Ist man automatisch schuldig, wenn man zornig ist?

Nein, für unsere Gefühle können wir nichts; entscheidend ist, wie wir uns dazu verhalten. Ich nehme den Zorn wahr, ohne ihn auszuagieren oder gleichgültig zu werden. Der Theologe Fulbert Steffensky spricht von Sünde als einem Begriff der Würde des Menschen. Dazu gehört, zu seinen Taten zu stehen, sie nicht auf andere abzuwälzen, die Fähigkeit zur Scham und geradezustehen vor dem eigenen Gewissen.

Was ist für Sie eine Sünde?

Sünde ist für mich alles, was Gott, die Menschen und die Schöpfung zu einem verfügbaren Objekt macht. Den Ansatz, die sieben Hauptsünden als «entgleiste Energien» zu lesen, finde ich interessant. So hat jede Sünde eine positive Entsprechung: Zorn ist eine Entgleisung der Konfliktfähigkeit, oder Hochmut eine Entgleisung von Selbstbewusstsein. Wer bereit ist, die Entgleisung einzugestehen, hat die Möglichkeit, dem Bösen Gutes entgegenzusetzen.


Die Serie «Im Beichtstuhl» im Überblick

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