Jugendliche im Musiktheaterprojekt «#babylon». Foto: Silvia Moser/zVg

Turmbau zu Babel überwinden

Beim Musiktheaterprojekt «#babylon» zeigen Jugendliche aus 12 Nationen, dass es viele Wege und Chancen gibt, sich zu verständigen.

Im Turmbau zu Babel scheitern die Menschen an der gottgesandten Sprachverwirrung. Fünfzehn junge Schauspieler*innen aus 12 Nationen zeigen beim Musiktheaterprojekt «#babylon» der katholischen Kirche in Bern: gemeinsam und gleichberechtigt für ein Ziel zu kämpfen, führt trotz sprachlicher oder menschlicher Grenzen zum Erfolg.

von Christina Burghagen

«Die Toten darf man, darf man, nicht essen ... die Wäsche darf man, darf man, nicht draussen aufhängen ...», singt ein junger Solist voller Inbrunst. Rhythmisch bewegt er seine Schultern, und der Chor wiederholt die vielen Regeln, die sich die Gruppe auferlegte. 15 junge Frauen und Männer aus allen Winkeln der Welt sind mit dem Flugzeug abgestürzt und haben überlebt.

Die Schicksalsgemeinschaft versucht nun, im selbst errichteten Camp an der Absturzstelle klarzukommen. Doch ihre unterschiedlichen Weltbilder und Hintergründe schüren immer wieder Konflikte. Immer wieder flammt Streit auf und die Gruppe droht in Chaos zu versinken. Als jemand ruft: «Wir brauchen Regeln, an die sich jeder halten muss!», versuchen alle an einem Strang zu ziehen. Die Schuhe sollen künftig draussen bleiben, und Fingernägel schneiden ist im Camp ebenfalls nicht gestattet.

Authentisches Spiel

Über ein halbes Jahr haben die Akteur*innen, von denen sich viele im Asylverfahren befinden, am Theaterstück «#babylon» mitgewirkt. Kein Drehbuch lieferte Vorlagen. Alle Szenen wurden in einem Improvisationsprozess erarbeitet und niedergeschrieben. Es geht um Träume, grosse Not und Sehnsucht nach einem besseren Leben.

Jeder erzählt seine Geschichte, wobei die persönlichen Erfahrungen mit einfliessen. Eine junge Frau aus Eritrea kauert am Boden und schützt sich mit ihrer Tasche über dem Kopf vor dem Regen, der aus den Lautsprechern prasselt. Sie singt mit zarter, sicherer Stimme ein melancholisches Lied aus ihrer Heimat, während die anderen sie kaum beachten. Die Moslems in der Gruppe treffen sich zum Morgengebet und rollen ihre Teppiche aus.

Neugierig beäugt eine kleine Gruppe Spanisch sprechender Männer das Werkeln einer Frau an den Überresten des Flugzeugs. Ihr Grossvater sei Pilot gewesen, erklärt sie ihnen in ihrer Sprache. «Ich will hier raus», sagt sie entschlossen und faltet einen Plan auseinander: «Ich baue eine Flugmaschine.» Im Camp spalten sich die Lager. Die einen glauben an die Rekonstrukteurin, die anderen machen sie mies: «Das isch doch e Schissdräck.»

Multikultureller Respekt

Die Inszenierung unter der Regie von Christoph Hebing (Junge Bühne Bern) und Marcel Leemann (Physical Dance Theater) lebt vom authentischen Spiel der Jugendlichen und tanztheatralischen Elementen. Die Themen Migration, Kultur und Vielfalt werden sinnbildlich im Mikrokosmos der Abgestürzten greifbar.

Besonders beeindruckend ist das Zusammenspiel der Jugendlichen aus Afghanistan, Eritrea, Iran, Kolumbien, der Dominikanischen Republik, Peru, Äthiopien, Tibet, Irak, Syrien, Tunesien und Brasilien. Angesichts so vieler Herkunftsländer und des Titels des Stücks denken alle an den gescheiterten Turmbau zu Babel. Doch die heutigen Jugendlichen zeigen, dass es viele Wege und Chancen gibt, sich über die Geschichte im Ersten Testament hinaus mit Respekt zu verständigen: Aus der Babel’schen Baustelle wird «#babylon» – mit Happy End.

 

Spielplan
26. Oktober, 20.00, Kirche St. Antonius, Bern-Bümpliz / 4. November, 17.00, Aula Mühlematt, Belp / 11. November, 17.00, Aula Sekundarschule, Zollikofen
Infos und Reservation: www.junge-buehne-bern.ch


Links:
Mehr zum Stück bei der Jungen Bühne Bern   
Flyer

 

 

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