Im Palliativdienst fragt Jolanda Fähndrich die Menschen, was ihnen Kraft gibt. Foto: zVg

«Um den Menschen als Ganzes geht es»

Jolanda Fähndrich arbeitet beim mobilen Palliativdienst Oberland

Mit Auto, einer Box auf dem Rücksitz und mit Rucksack ist sie unterwegs: Jolanda Fähndrich ist seit einem Jahr beim mobilen Palliativdienst Oberland aktiv. Um Pflegende bei ihrer Arbeit zu unterstützen, wenn spezifisches Know-how gefragt ist – bei Menschen in der letzten Phase ihres Lebens. Dabei bringt sie auch den spirituellen Aspekt ein.

Von Marcel Friedli

Er geniesst die Frühlingssonne, mampft Chips, pafft eine Zigarette und schaut den Rauchwolken nach: der Mann, der Grund, weswegen Jolanda Fähndrich hierher gefahren ist, in dieses Altersheim im Berner Oberland. Den Mann so munter anzutreffen, damit hat Jolanda Fähndrich nicht gerechnet. Denn noch vor ein paar Tagen ging es ihm sehr schlecht: Zwischen Leben und Tod schwebte er.

Der Mann war früher Diakon, ist etwas über sechzig und wohnt hier. Er will nie mehr ins Spital. In Ruhe will er sterben – und dabei so wenig wie möglich leiden. Er benötigt gewisse Medikamente, die er jedoch nicht mehr schlucken kann.

Abschied würdig gestalten

Pflegefachfrau Jolanda Fähndrich ist nun hier, um das Personal zu coachen (siehe Kasten), vor allem, um sicherzustellen, dass beim Handling der Medikamente alles wunschgemäss klappt. Es handelt sich um eine Pumpe. Die schmerzlindernden Medikamente werden so über die Haut abgegeben.

Bei Palliative Care (siehe Kasten) kommt auch der spirituelle Aspekt zur Sprache. «Wir betrachten den Menschen in seiner Ganzheit», sagt Jolanda Fähndrich. «Dabei ist die Spiritualität, der Glaube einer der Faktoren – neben dem Körper, dem Umfeld, den Werten.» Mittlerweile hat sie eine gewisse Routine bei diesem Thema, wobei jede Situation individuell ist. «Je selbstverständlicher man davon spricht, desto besser kommt es an. Ich habe mich selber damit beschäftigt, darum ist mir das Thema vertraut.»

Jolanda Fähndrich lässt das nötige Fingerspitzengefühl walten: «Kommt keine Resonanz, insistiere ich nicht. Oder ich frage, was Kraft gibt.» Sie gibt jeweils einen Flyer ab mit Kontakten zur Seelsorge.

Sterbende begleiten

Auf diesem Flyer steht auch die Nummer von Alexander Pasalidi, katholischer Pfarrer von Gstaad. «Sich Kranken und Sterbenden zuzuwenden und sie zu begleiten», sagt er, «ist seit jeher Kernaufgabe der Seelsorge.» Schon immer hätten Geistliche Kranke in deren Zuhause und in Spitälern und Pflegeheimen besucht und Angehörige begleitet.

«Neu ist nun, dass eine professionelle Zusammenarbeit angestrebt wird», sagt Alexander Pasalidi weiter. «So kann man die körperlichen, psychischen, sozialen sowie die spirituellen Bedürfnisse von Menschen am Lebensende berücksichtigen.»

 

Der mobile Palliativdienst Oberland (MPD) ist ein interprofessionelles Team und besteht aus Pflegefachpersonen sowie Ärzt:innen mit entsprechenden Qualifikationen. Das MPD-Team arbeitet rund um die Uhr eng zusammen mit Spitex-Organisationen, stationären Langzeitinstitutionen, Hausärzt:innen, Spitälern, Sozialdiensten sowie Seelsorger:innen und Freiwilligen. Einzugsgebiet ist Thun, das Nieder- und Obersimmental sowie Saanen. Der dreijährige Modellversuch des Kanton Berns wird von der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion finanziert. Die katholische Kirche Region Bern ist Partnerin von Palliative Care Kanton Bern. Infos und Kontakt: www.kirchenpalliativebern.ch, www.palliativecare-thun.ch, mpd@palliativecare-thun.ch, 079 617 97 29.

Palliative Care umfasst das Betreuen und Behandeln von Menschen mit unheilbaren, das Leben begrenzenden Krankheiten. Den Menschen wird möglichst optimale Lebensqualität bis zum Tode gewährleistet: mit medizinischen Behandlungen, Pflege sowie psychologischer, sozialer und spiritueller Unterstützung (siehe Haupttext). Hinter Palliative Care steht die Idee, den Sterbenden und ihren Angehörigen einen Mantel um die Schultern zu legen. Das kommt vom lateinischen pallium. To care bedeutet: sich um jemanden kümmern.

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