Workshop «Duftoase» vor derPauluskirche.

… und ein verliebter Organist

Erlebnisse von der «Langen Nacht der Kirchen»

150 Kirchen verwandelten sich an der «Langen Nacht der Kirchen» zu speziellen Erlebnisräumen. Duftoasen, Stille im Münster und ein besonderer Organist: Die Lange Nacht der Kirchen bot auch dieses Jahr wieder spannende Einblicke in Glaubens- und Lebenswelten.

Text und Fotos: Vera Rüttimann

Vor der Pauluskirche riecht es betörend. Zum Workshop «Duftoase» haben die Besucher:innen verschiedene ätherische Öle mitgebracht. Nach Rezepturen mischen sie «Duftporträts» zusammen. Sie heissen «Gutenachtöl», «Frauenöl» oder «Sportöl». Dazu kommen schöne Dekorationen mit Blüten. «Eine äusserst intensive Geruchsmischung », sagt Caroline Fotinos, die als Aromatherapeutin arbeitet. Der Duft strömt hinein in die Kirche zu den Sänger:innen des Paulus-Chores, die sich gerade für ihren Auftritt «Oh schöne Nacht» bereit machen.


Neben Caroline Fotinos steht Vreni Vonalmen. Für die sozialdiakonische Mitarbeiterin in der Pauluskirche haben Düfte auch einen biblisch-spirituellen Bezug. Sie erinnert an die Szene, in der Maria Magdalena Jesus die Füsse mit teuren Ölen salbt.

Für Caroline Fotinos ist der Duft etwas sehr Persönliches: «Wir legen schon im Mutterleib ein Duftgedächtnis an. Mit Duft kann man im Nuh Erinnerungen wecken, die man schon lange vergessen hat.»

«Verliebt in diese Orgel»

Der Schweiss rinnt den Leuten übers Gesicht, die eine enge Wendeltreppe hochsteigen. Sie wollen zu Walter Dolak. Der international bekannte Organist spielt in der christkatholischen Kirche St. Peter und Paul Stücke von Komponisten wie Max Reger. Seine Füsse gleiten flink über die Orgelpedalen. Um ihn herum bestaunen Gäste seine Klangwelten, die er erschafft.


Unter ihnen ist auch Jan Straub. Der Sigrist dieser Kirche weiss: «Walter Dolak ist nach Bern gekommen wegen dieser Orgel. Er hat sich buchstäblich in diese sie verliebt.»

Die Gohl-Orgel aus dem Jahr 1885, weiss Walter Dolak, «ist das einzige Instrument in der Region, das noch original erhalten ist.» Eine klassische romantische Konzertorgel mit weichen Registern und einem warmen Klang.

«Der Weg zu Jesus»

Jan Staub erklärt anschliessend Interessierten einige Besonderheiten dieser Kirche. Im Chor bleibt er vor einem grossen, langen Tuch, das von der Decke hängt, stehen. Schemenhaft ist darauf Maria zu erkennen. An ihrer Brust ist eine Art Lichtscheibe zu erkennen. Das Tuch, das seit 1998 hier hängt, ist transparent.


«Durch das Tuch», erklärt Jan Straub, «erkennt man den auferstandenen Jesus. Maria ist der Weg zu Jesus.» Bei den Christkatholiken werde Maria geehrt, aber nicht verehrt.

Die erste römisch-katholische Kirche im Staate Bern seit der Reformation wartet mit einer weiteren Besonderheit auf: «Als es in vielen Kirchen zum Bilderturm kam, wurde in dieser frühgotischen Kathedrale nicht alles rausgeschmissen.» Die Heiligenfiguren, so Jan Straub, habe man stehen lassen. «Sie sind nur noch Dekorstücke.» Sehr lebendigt geht es unten in der Krypta zu. Orthodoxe Christen singen und trommeln in Krypta.

Stille im Münster

«Aber der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Brausen.» (1. Könige 19, 11-13). Wo findet Elia Gott? In der Stille. Einen solchen «Raum der Stille» hat auch das Berner Münster in dieser Nacht geschaffen. Die Besucher:innen, die noch um 22 Uhr in den Bänken sitzen, sehen sich einen Dokumentarfilm von Philipp Gröning mit dem Titel «Die grosse Stille» an. Eine strenge, fast lautlose Meditation über den kargen Alltag eines Kartäusers.


Während draussen das Lachen von Menschen in Cafés und Bars zu hören ist, wird drinnen in die Stille gelauscht und den Grund des eigenen Seins erforscht. Später geht’s wieder hinaus in diese laue Juni-Nacht. Die morgen früh unter den Lauben so wundersam still sein kann.

 

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