Glücklich! Macht Religion glücklich? Impression von der Berner Nacht der Religionen. Foto: Vera Rüttimann

Vom Glück in dunklen Zeiten

Ein Augenschein bei der «Nacht der Religionen»

«Glücksmomente – von Menschen und Religionen» hiess das Motto der diesjährigen «Nacht der Religionen» in Bern. Es passt in gut in die heutige Zeit.

Text und Fotos: Vera Rüttimann

Krieg im Nahen Osten und in der Ukraine, aufkeimender Judenhass. Dazu noch der drohende Rechtsrutsch in vielen Ländern Europas: Die Zeiten sind düster. Viele Menschen lechzen nach Licht und Glücksmomenten.

Der Saal des Hindutempels im «Haus der Religionen» ist voll. Die Gäste, darunter viele Jugendliche, lauschen zwei jungen Frauen, die sich über das Thema «Macht Religion glücklich?» austauschen. Der Moderator möchte wissen: «Wo erlebt ihr Glücksmomente im Zusammenhang mit der Religion?» Alisha Pfenninger studiert evangelische Theologie. Religion heisst für sie, über ihr Leben hinauszuschauen, es als etwas grosses Ganzes zu verstehen. «Diese Perspektive verhilft mir, nicht nur bei mir zu bleiben, sondern meine Lebensrealität in die Schuhe eines anderen hineinzuversetzen», sagt die 24-Jährige.

Die Hindu-Frau Avarina erlebt Glück, wenn sie einen Tempel besucht. «Dann fokussiere ich mich ganz auf die Rituale mit Musik und Gerüchen um mich.» «Ich glaube einfach»

Eine andere Frage lautet: Gibt es ein spezifisch religiöses Glück, das andere nicht erleben können? Avarina glaubt das nicht – auch nicht an US-Veranstaltungen wie «Prosperity Gospel»-Religion, wo Religion als Glücksbooster verkauft wird.

«Jede:r kann Glück für sich selbst definieren», sagt die 19-Jährige. Alisha Pfenninger schlägt in die gleiche Kerbe: «Ich halte nichts von einer Spiritualität, die einem auch zu wirtschaftlichem Glück verhelfen soll. Gott kann man nicht beeinflussen wie einen Kaugummi-Automaten, in den man eine Münze wirft.» Glaube und Religionen können einen in der heutigen Gesellschaft herausfordern, sogar einsam machen.

«Wie», fragt der Moderator, «geht ihr damit um?» Ihr Glaube fordert Avarina nicht heraus: «Ich übe ihn sehr einfach im Tempel aus. Und ich bin nicht gezwungen, an diesen Gott zu glauben. Ich glaube einfach.» Alisha Pfenninger hatte jedoch in ihrer Teenagerzeit mit dem Glauben zu kämpfen, «weil ich Werte vertreten habe, die nicht gesellschaftskonform waren».


Rosenblätter für den Elefantengott

Viele Besuchende gehen nach der Diskussionsrunde noch in den Hindutempel. Sie staunen: Grossäugige Götterstatuen wie Vishnu und Shiva sitzen in einem kostbaren Schrein auf Thronen, umrankt von Glitzergirlanden. Zu Füssen des Elefantengottes Ganesha liegen Rosenblätter, Süssigkeiten und Obst. Mit freundlichem Gesicht grüsst er die Ankömmlinge.

Die Gäste können beobachten, wie Hindu-Frauen in einem Seitenraum frische Rosenblätter für die morgige Puja-Zeremonie vorbereiten. Auch die Tinktur aus Milch, Joghurt und Honig wird angerührt, die dem Elefantengott Ganesha jeweils übergegossen wird.


Bei sich zu Hause sein

«Witze, Lachübungen, vom tiefen Glück, was ist Glück» heisst das Programm in der Heiliggeistkirche in dieser Nacht. Vertretende von fünf Religionen sprechen über das, was sie glücklich macht. Es beteiligen sich die Offene Kirche Bern, die Gruppe Heiliggeist Interreligiös sowie Ahmadiyya Muslim Jamaat Schweiz. Weiter sind dabei Ajere African Heritage, Jains in Switzerland und die Jüdische Gemeinde Bern.

Ein Mann mit gelbem Turban vertritt die Sikh Gemeinschaft Langenthal. «Alle Farben sind göttlich», sagt er lachend. Er reicht den Besuchenden eine Tasse indischen Tee. «Es ist unsere Pflicht, jedem Gast etwas zu trinken anzubieten.» In solchen Gesten und auch in sich selbst, finde er sein Glück. «Glück ist für mich, wenn ich in mir zu Hause bin. Wenn ich meinen Raum gefunden habe, ist es nicht mehr so wichtig, wo ich gerade bin.


Tiefer als Instant-Glück

Dann betritt Sylvia Frauchiger die Bühne. Die Bernerin unterrichtet an Schulen das Fach Glück. «Raum für Glück» heisst es in grossen Lettern auf der Leinwand. Was es mit diesem Raum auf sich hat, erzählt die Glücks-Coach auf unterhaltsame Weise. Bei ihr geht es nicht um das schnelle Instant-Glück, sondern um das «tiefere Glück».

Der eigene Glücks-Raum müsse nämlich mit bestimmten Tools ausgestattet werden. Da wäre das Erkennen von natürlichen Stärken, Gaben und Talenten in einem selbst; das stetige Arbeiten an der eigenen Persönlichkeitsentwicklung; das Erkennen der Lebensziele und was einen glücklich macht. Sylvia Frauchiger sagt: «Ich selber kann eine Menge dazu beitragen, mein inneres Gleichgewicht herzustellen.» Dieser Satz mag bei einigen für einen Glücksmoment sorgen.

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