«Mit einem versöhnlichen Blick zurück kann man besser nach vorne schauen.» Judith von Ah. Foto: Pia Neuenschwander

«Was will ich eigentlich noch?»

Die eigene Lebensgeschichte würdigen in einem Biographiekurs.

Wer bin ich? Wie bin ich geworden, wer ich bin? Wie möchte ich in Zukunft sein? Die katholische und reformierte Kirche bietet ab Januar erneut einen Biografiekurs in Münsingen an, bei dem man diesen Fragen nachgehen und die eigene Lebensgeschichte in den Blick nehmen kann. Die Kursleiterin, Theologin und Musiktherapeutin Judith von Ah im Gespräch.

Interview: Sophie Schudel

«pfarrblatt»: Sie setzen sich in Ihrem Kurs mit Biografiearbeit auseinander. Was ist das?

Judith von Ah: Diese Arbeit ist ein strukturierter Rückblick auf die eigene Lebensgeschichte, begleitet in einem klaren Setting. Diese angeleitete Reflexion der Vergangenheit hilft, die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu gestalten.

Kommen Erinnerungen einfach, oder wie stossen Sie sie an?

Da hilft die Musik sehr stark. Wenn man Musik von früher hört oder ein Lied singt, das man als Kind gesungen hat, kommen Erinnerungen hoch. Oder ich mache Klangreisen – ich habe immer verschiedene Instrumente dabei. Das Improvisieren mit Musik kann auch eine Methode sein. In der Gruppe hilft das Erzählen. Wenn die Leute darüber sprechen, welche Erinnerungen bei ihnen aufgetaucht sind, weckt das auch bei anderen etwas. Ich lade die Teilnehmenden ein, ausgewählte Fotos oder Gegenstände aus ihrer Kindheit mitzunehmen und bringe selbst Bilder mit. Wenn man im Prozess drin ist, die Impulsfragen anschaut und alte Fotos hervorholt, beginnt es, in einem zu arbeiten. Wir schauen an, was auftaucht und würdigen es.

Für wen ist der Kurs gedacht?

Der Kurs steht allen Erwachsenen offen, die bereit sind, sich auf ihre Lebensgeschichte einzulassen. Es kommen vielfach Leute, die an einer Schwelle stehen, etwa um die Pensionierung herum oder nach einer Krise. Wir gehen Fragen nach wie «Was habe ich bisher erreicht?», «Was ist mir bisher wichtig gewesen?» und «Was will ich eigentlich noch?»

Wie ist der Kurs aufgebaut?

Der Kurs umfasst fünf Einheiten à drei Stunden mit max. zehn Teilnehmenden. Das erste Treffen dient dem Kennenlernen und der Einstimmung. Beim zweiten Mal blicken wir auf die Kindheit zurück. Beim dritten Mal erinnern wir uns an die Jugend, beim vierten Mal an die Zeit als Erwachsene. Das letzte Treffen widmet sich dem älterwerden. Wir wagen einen Ausblick und fragen uns, wo wir in unserem Leben stehen, wie viel Zeit uns wohl noch bleibt und wie wir diese gestalten wollen.

Welche Impulse für die weitere Lebensgestaltung geben Sie?

Das Ziel ist, dass man die eigene Lebensgeschichte annehmen und sich versöhnen kann mit dem, was war. Mit einem versöhnlichen Blick zurück kann man besser nach vorne schauen. Es ist eine Würdigung der eigenen Lebensgeschichte. Einigen Menschen wird bewusst, was sie unbedingt als nächstes anpacken wollen. Die Zeit reicht nicht, ganze Lebensgeschichten voreinander auszubreiten, der Kurs bietet einen Einstieg. Es gibt dann einige, die erst recht dran gehen und ein ganzes Buch schreiben. Und für andere ist es gut so, wie es ist. Es soll ja auch offenbleiben, was man damit macht.

Welche Momente sind für Sie besonders berührend?

Die erzählten persönlichen Geschichten verbinden sehr. Dieses Zusammenwachsen erlebe ich eigentlich in jedem Kurs. Am Schluss kennt sich die Gruppe sehr gut. Das Erzählte bleibt in diesem Raum, es gilt Schweigepflicht, und man trägt es nicht nach draussen. Ich habe schon erlebt, dass sich die halbe Kursgruppe weiterhin regelmässig getroffen hat.

 

Biografiekurs «Auf den Spuren meines Lebens»
Freitag, 21. Januar / 4. und 18. Februar / 4. und 18. März, jeweils 09.00 bis 12.00, kath. Pfarreizentrum Münsingen.
Infos und Anmeldung

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