Wie umschreibt man einen Gefängnisaufenthalt im Lebenslauf? Und wie erstellt man diesen digital? Bei solchen Fragen hilft die Beratungsstelle Triio. Sie wird dieses Jahr 20 Jahre alt.
Von Sylvia Stam
«Wir machen weiter, wir schreiben jetzt eine ganz gute Bewerbung!» Solche Sätze sagt die Beraterin S.R.* Kund:innen, die auf 150 Bewerbungen lauter Absagen erhalten haben. Die 66-jährige Freiwillige unterstützt bei der Beratungsstelle «Triio» Menschen beim Erstellen von Bewerbungen. «Zu uns kommen Leute, die zum Beispiel als Chauffeur, in der Hotelerie oder in der Küche arbeiten möchten. Ihnen fehlen oft PC- oder Sprachkenntnisse. Hochqualifizierte sind eher selten.»
In der Bewerbungswerkstatt werden Lebensläufe geschrieben oder vervollständigt sowie Bewerbungsbriefe verfasst. «Wir laden die digitalen Bewerbungen auch hoch oder schicken sie für die Kund:innen per Mail ab», erzählt E.T. (57), auch sie ist freiwillige Beraterin. Denn selbst für einen Job in der Küche des Inselspitals müssten Bewerber:innen ihre Dokumente digital auf einer Plattform einreichen – für Menschen mit geringen PC-Kenntnissen eine grosse Hürde.
Aus «Gefängnis» wird «Kantonale Verwaltung»
«Wir schreiben den Lebenslauf komplett oder füllen Lücken», so S.R. Etwa dann, wenn jemand einige Monate im Gefängnis war. «Kantonale Verwaltung, Erfahrung in Schreinerei», könne dann beispielsweise im Lebenslauf stehen.
Was die Beraterinnen in die Dokumente schreiben, können Kund:innen an einem zweiten Bildschirm direkt mitverfolgen. «Die Lebensläufe und Briefe entstehen im Interviewverfahren», so E.T. Wenn die Sprachkenntnisse nicht reichen, hilft auch schon mal Google-Translater beim Gegencheck.
Ob die Kund:innen tatsächlich einen Job finden, erfahren die Freiwilligen nur in Einzelfällen. S.R. erzählt von einer älteren Thailänderin, die mit einem konkreten Inserat eine Stelle als Mitarbeiterin in der Pflege suchte. «Nach zwei Tagen kam sie nochmals vorbei und erzählte strahlend, sie habe einen Termin für ein Vorstellungsgespräch und einen Schnuppertag!» Ob sie die Stelle bekommen hat, weiss S.R. allerdings nicht.
Eigene Stärken erkennen
Triio bietet auch Programme zur Arbeitsintegration an. Seit Februar nimmt R.F. an einem solchen teil. «Hier konnte ich meine PC-Kenntnisse aufbessern, nun bin ich am Empfang, nehme Terminanfragen der Kund:innen entgegen, begleite sie zur entsprechenden Beratung, mache Kopien der Zeugnisse.» Die 28-Jährige, die keine Berufsausbildung gemacht hat, verfolgt ein klares Ziel: Sie möchte technische Operationsassistentin werden. Als ersten Schritt beginnt sie im September im Salem-Spital mit der Ausbildung zur Medizinischen Praxis-Assistentin.
Auch E.F. (57) hat an einem Arbeitsintegrationsprogramm teilgenommen. «Ich wurde spät stellenlos, fand dann eine Stelle, wo ich jedoch weggemobbt wurde.» Der Sozialdienst habe Triio angeboten. Als Teilnehmerin des Arbeitsintegrationsprogramms habe sie auch aufgeräumt, den Tisch gedeckt und geputzt. «Der Respekt und die Wertschätzung blieben auch in dieser Zeit nicht aus. Die Rückschläge halfen mir, meine eigenen Stärken zu erkennen», sagt E.T.
20 Jahre im Dienst Erwerbsloser
Triio (TRägerverein impuls, intact Ohni Büez) entstand 2002 aus der Fusion der drei im Namen erwähnten Beratungsstellen für Erwerbslose. Der Verein bietet Unterstützung in Fragen zu Berufstätigkeit, Stellensuche und Erwerbslosigkeit. Finanziert wird er hauptsächlich von den der evangelischen und der katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern. Nebst Mitarbeitenden im Integrationsprogramm und Freiwilligen gibt es sechs Angestellte, die Beratungen zu arbeitsrechtlichen Fragen oder Coachings für Vorstellungsgespräche durchführen. Im Jahr 2021 hat Triio über 10'000 telefonische Anfragen entgegengenommen, gut 3600 Bewerbungsbriefe und knapp 900 Lebensläufe erstellt.
Aktuell bietet Triio im Rahmen eines Projekts für ukrainische Geflüchtete Workshops zu Stellensuche und Bewerbungsprozess an.
* Namen der Redaktion bekannt