«Wer alles gibt, …

Aki-Kolumne von Benjamin Svacha 

… hat die Hände frei» – so heisst ein Buch von Andreas Knapp, der in Leipzig lebt und der Ordensgemeinschaft «Kleine Brüder des Evangeliums» angehört.

Dieses Buch war kürzlich die Ausgangslage für ein ausführliches Abendgespräch im aki. Der für uns zentrale Gedanke lag in der Idee einer «Spiritualität von Nazaret»: Gott zeigt sich nicht zuerst in einem Tempel oder in einem grossen Palast, sondern in einem kleinen, seinerzeit völlig unbedeutenden Dorf namens Nazaret. Und auch nicht in der Person einer Königin oder eines Gelehrten, sondern in der eines Handwerkers. 

Viel durchschnittlicher, viel alltäglicher geht es eigentlich gar nicht. Aber so verbringt Jesus den grössten Teil seines Lebens, von dem wir nur sehr wenig wissen. Irgendwo in der Provinz, wo nicht viel passiert – nicht gerade der Ort, wo man am ehesten erwarten würde, Gott zu begegnen.

Im Gespräch darüber ist eine grosse Frage aufgetaucht: Was steht eigentlich in unserem «spirituellen Leben» im Zentrum? Nicht selten halten wir die «frommen» Unterbrüche des Alltags für das, worum es im Glauben eigentlich geht: zum Beispiel der Moment im persönlichen Gebet, in einer Meditation, im Gottesdienst oder beim Lesen in der Bibel.

Der Weg an die Uni dagegen, die eher langweilige Vorlesung, das kurze Gespräch in der Kaffeepause – irgendwie fühlt sich das alles nicht so an, als ob Gott hier wirklich präsent wäre.

Für Andreas Knapp, den Buchautor, sind Auszeiten vom Alltag und Momente des Gebets gerade als Ordensmann und Priester natürlich sehr wichtig. Im Gespräch in der Gruppe haben wir ihn aber mehr und mehr so verstanden, dass eine klare Gegenüberstellung von Alltag und Spiritualität vielleicht keine gute Idee ist: hier der weltliche, langweilige Alltag, dort die religiöse Stille, das erhabene Gebet, wo man das Alltägliche wenigstens für eine gewisse Zeit hinter sich lässt. Denn in einem so unspektakulären Leben ist auch Jesus als Kind aufgewachsen, hat als Erwachsener Häuser gebaut und ziemlich sicher viele unspektakuläre Tage verbracht. Seine Beziehung zu einem Gott, den er Vater nennt, seine tiefen Gleichnisse und die Bereitschaft, auch grosses Leid auf sich zu nehmen – all das ist im Unscheinbaren herangewachsen.

So war dann auch das Fazit aus unserem Gespräch: Momente der Stille und des Gebets sind wichtig! Aber nicht nur, um endlich das (manchmal wirklich öde) Alltägliche hinter uns zu lassen – sondern vielmehr, um den Alltag wieder als den Ort zu entdecken, an dem Gott sich zeigt und uns nahe ist.

Benjamin Svacha 

Buchtipp Knapp, Andreas: Wer alles gibt, hat die Hände frei. Erschienen bei bene! Verlag, München 2021

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