In Tolima (Kolumbien) fördert die Fastenaktion möglichst nachhaltige Energie, wie die Solarpanel zeigen. Bild: Fastenaktion

Wer mein Vollbad ausbaden muss

Am Aschermittwoch startet die Fastenkampagne.

Energieverschwendung führt zu Überschwemmungen – so lautet das Motto der diesjährigen Fastenkampagne. David Knecht von der Fastenaktion erläutert, was mit «Klimagerechtigkeit» gemeint ist.

Interview: Sylvia Stam

«pfarrblatt»: Inwiefern bewirkt mein Vollbad eine Überschwemmung in Kolumbien?

David Knecht*: Das Vollbad ist ein Symbol für den Überkonsum an Energie, den wir hier in der Schweiz haben. Wir konsumieren deutlich mehr Energie als der Durchschnitt der Menschen weltweit. Für die Erwärmung des Badewassers wird in meiner Mietwohnung Öl verbrannt. Beim Verbrennen werden Treibhausgase ausgestossen, die in ihrer Summe den Klimawandel vorantreiben. Rund 50% dieser Emissionen verantworten wir, die reichsten 10% der Erdbevölkerung – sei dies beim Transport, durch das Heizen von Wasser oder der Wohnung.

In diesem Zusammenhang spricht Fastenaktion von Klimagerechtigkeit. Was ist damit gemeint?

Menschen im Süden tragen deutlich weniger zur Klimaerwärmung bei als Menschen in der nördlichen Hemisphäre. Sie sind aber mehr davon betroffen und haben gleichzeitig oft weniger finanzielle Mittel, um sich gegen die Folgen des Klimawandels zu schützen. Eine zweite Dimension ist die Klimagerechtigkeit zwischen den Generationen: Unsere Generation übernimmt Verantwortung, um den Klimawandel zu bekämpfen, damit die folgenden Generationen die Auswirkungen nicht ausbaden müssen.  

 


Darüber hinaus soll als dritte auch die soziale Dimension beachtet werden. 

Energie ist einerseits Treiber des Klimawandels, aber Energie ermöglicht auch Entwicklung. Darum gehört auch die soziale Dimension zur Klimagerechtigkeit. Es wäre ungerecht, verletzliche Menschen von ihren Wohnorten zu vertreiben, damit dort ein klimaschonender Windpark gebaut werden kann. Der Energiewandel soll auch als Chance genutzt werden für die Armutsbekämpfung und die Entwicklung der Gemeinschaften in Südländern.

Wie setzt Fastenaktion sich konkret für Klimagerechtigkeit in diesen drei Dimensionen ein?

In einem unserer Projekte in Tolima, Kolumbien, testen wir, wie Energie gemeinschaftszentriert erzeugt werden kann. Es geht um Solaranlagen, die Gefrierkammern, Brutkästen und Bewässerungsanlagen betreiben. Eine der indigenen Gemeinschaften züchtet Fische in Teichen. Mit Gefrierkammern können sie den Fisch zum dafür günstigsten Zeitpunkt aus dem Becken holen und ihn dann lagern, bis der Händler kommt. Dadurch sind die Fischzüchter:innen weniger abhängig von der ineffizienten Stromversorgung im Land. Hier werden also erneuerbare Energien genutzt, um eine Verbesserung im Leben dieser Gemeinschaften zu ermöglichen.

Tiefkühlanlagen sind allerdings nicht besonders nachhaltig.

Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass folgendes in der Klimadebatte nicht vergessen geht: Erneuerbare Energie kann und muss genutzt werden, um Menschen in ärmeren Regionen ein besseres Leben zu ermöglichen oder neue Einkommensmöglichkeiten zu erschliessen.

Es geht also um ein Abwägen zwischen sozialer Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.

Nein, im Beispiel aus Tolima sind Entwicklungs- und Klimaziele vereint. Es geht aber auch hier um Klimagerechtigkeit. Im Norden müssen wir uns überlegen, wie wir unseren Energieverbrauch reduzieren und Energie effizienter nutzen können, und nicht Menschen im Süden verbieten, Energie zu nutzen. Denn den Klimawandel haben die reichen Länder im Norden zu verantworten.

Letztes Jahr stand das Grillieren am Pranger, dieses Jahr das Baden. Wollen Sie uns den Genuss verderben?

(lacht) Es ist nicht immer angenehm, sich Gedanken darüber machen zu müssen, wie unser Leben die Weltgemeinschaft beeinflusst. Doch genau dazu möchte die Fastenaktion einladen. Sie tut dies mit etwas provokativen Bildern, damit es tatsächlich einen Denkanstoss gibt. Damit wir realisieren, dass zwischen unserem Lebensstil und der Klimaerhitzung Zusammenhänge bestehen.


Was für andere Möglichkeiten gäbe es, um Menschen zu einem verantwortungsvollen Energieverbrauch zu motivieren, als moralische Appelle?

Fastenaktion und Heks bieten auch Klimagespräche an. Dort wird gemeinsam überlegt, wo die Gesprächsteilnehmer:innen im Bezug aufs Klima stehen und wo es Änderungsmöglichkeiten gibt. Aber es besteht tatsächlich eine grosse Dringlichkeit, das sagt die Klimawissenschaft, nicht die Fastenaktion.

Fastenaktion setzt sich seit Jahrzehnten für weltweite Gerechtigkeit ein. Die alljährliche Aktion zeigt, dass die Welt nicht wesentlich gerechter geworden ist. Woher nehmen Sie die Energie, Jahr für Jahr dranzubleiben?

Es sind einzelne Projekte, wo Menschen davon erzählen, wie sich ihre Lebensgrundlagen verbessert haben. Ich habe über viele Jahre ein Projekt in Kenia begleitet, das mit energieeffizienten Öfen arbeitet. Zuerst konnten wir 100, später 500 Öfen pro Jahr und mehr bauen, inzwischen gibt es etwa 20‘000 dieser Öfen. In diesem Projekt wurden Handwerker:innen ausgebildet, um die Öfen zu bauen. Eine von ihnen hat erzählt, dass sie durch diesen Ofen mehr Ansehen in ihrer eigenen Dorfgemeinschaft erhielt, weil sie Geld nach Hause bringt. Sie konnte ihren Kindern zudem eine gute Schule finanzieren. Und das ist nur eine von rund 100 bis 200 Handwerker:innen.

Was können Erwachsene, Jugendliche oder Kinder hierzulande konkret tun, um den eigenen Energiekonsum zu senken?

Ich kann die Heizung reduzieren, das bedeutet, einen Pullover mehr anzuziehen. Ich kann aufs Baden verzichten, möglichst oft den ÖV benutzen, auf private Flugreisen verzichten.

Auch die Hersteller*innen von Geräten wie beispielsweise einem Smartphone tragen eine Verantwortung, wenn es um die Energiebilanz und um soziale Gerechtigkeit geht. Setzt Fastenaktion auch hier an?

Ich sehe das als Ergänzung. Endverbraucher*innen können sich für ein Fairphone entscheiden, dessen Hersteller*innen sich gezielt für eine faire Lieferkette einsetzen. Aber natürlich wäre viel gewonnen, wenn eine grosse Firma wie Samsung in ihrer Lieferkette etwas verändern würde. Unsere Kampagne «High Tech – No Rights?» thematisiert seit 2007 die prekären Arbeitsbedingungen in der Elektronikindustrie. In diesem Rahmen besteht eine Fachstelle zusammen mit Heks.
 

*David Knecht ist bei der Fastenaktion verantwortlich für den Bereich Energie und Klimagerechtigkeit.

Neuer Name, neues Logo, neuer Partner
Die Fastenaktion, vormals Fastenopfer, tritt dieses Jahr erstmals mit neuem Namen und neuem Logo auf. Auf reformierter Seite hat «Brot für alle» 2022 mit dem «Hilfswerk der evangelischen Kirchen» (Heks) fusioniert. Daher sind beide Logos der ökumenischen Kampagne «Sehen und Handeln» neu.

Gleich geblieben ist das Thema der Kampagne: «Klimagerechtigkeit – jetzt». Sie fokussiert dieses Jahr auf den Energieverbrauch reicher Länder. «Der oft übermässige Energiekonsum im Norden hat Folgen für Menschen im globalen Süden. Sie haben nicht die Mittel und Möglichkeiten, sich zu schüzen», heisst es in der Broschüre zur Kampagne.
Die Ökumenische Kampagne dauert vom Aschermittwoch, 2. März, bis Ostersonntag, 17. April.

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