Heute ministrieren Jungs und Mädchen selbstverständlich gemeinsam. (Hier: Pfarrei Bruder Klaus in Bern). Foto: Pia Neuenschwander

Wie Mädchen zum Altardienst kamen

30 Jahre Ministrantinnen

Seit 1992 erlaubt der Vatikan offiziell Ministrantinnen, das Bistum Basel seit den 70er-Jahren. Vier «Minis» aus der Berner Pfarrei Bruder Klaus nehmen Stellung zu den Befürchtungen von damals.

Von Sylvia Stam

«Beim Ministieren komme ich zur Ruhe», sagt Chiara (14), Oberministrantin in der Berner Pfarrei Bruder Klaus. «Man ist nahe bei Gott. Es ist schön, mit anderen zusammen zu sein, die dasselbe Ziel haben», ergänzt ihre Kollegin Rafaela (14). «Man kann etwas Produktives tun», sagt Elija (12) über den Ministrantendienst. Und Fabio (13) findet das Ministrieren schlicht «cool».

Dass Mädchen früher nicht ministrieren durften, ist für die vier «Minis» Schnee von gestern. Dabei gab es damals handfeste Befürchtungen: «Mädchen sind anders als Jungs. Daher vertragen sie sich oft auch nicht so gut, besonders im Alter zwischen acht und dreizehn Jahren», schreibt Erich Schredl, heute Pfarrer in Ingolstadt, im Jahr 2000 in seinem Buch «Wir Minis». Auch eine gewisse Konkurrenz hätten die ministrierenden Jungs gefürchtet, erinnert sich Schredl.

Nur kurze Zeit zusammen

«Das Geschlecht ist völlig egal, Hauptsache, es gibt Ministrant:innen», sagt Elija heute. Konkurrenz sei für alle vier kein Thema, das Geschlecht spiele auch beim Erstellen des Einsatzplans keine Rolle, sagt Lars Janzen, der für die Minis in Bruder Klaus zuständig ist. «Beim Ministrieren ist man ja nur jeweils für kurze Zeit zusammen», entgegnet Fabio auf die Befürchtung, Jungs und Mädchen vertrügen sich in dem Alter nicht gut. In der Schule sei das vielleicht anders.

Der Vatikan erlaubt Ministrantinnen offiziell seit 1992, auch wenn vielerorts schon früher Mädchen am Altar dienten (siehe Infobox). Die liberale Praxis in den Pfarreien dürfte mit der Aufbruchstimmung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zusammenhängen. Im Konzilsdokument zur Liturgie von 1963 heisst es, «auch die Ministranten (…) vollziehen einen wahrhaft liturgischen Dienst».

Loslösung von Priesterweihe

Mit dieser Formulierung sei der Dienst als «eigenständig und nicht von einer Weihe abgeleitet oder durch eine geweihte Person delegiert» verstanden worden, schreibt Felix Neumann auf katholisch.de. Die Loslösung des Ministrantendienstes von der Priesterweihe sei eine wichtige Bedingung für die Zulassung von Mädchen gewesen.
Waren Ministrantinnen im Kirchengesetzbuch von 1917 noch explizit verboten, fehlte dieses Verbot in der überarbeiteten Version von 1983. Die offenere Formulierung der Aufgaben von «Laien» liess Spielraum für Interpretation. Neun Jahre später bestätigte Papst Johannes Paul II., dass Mädchen ministrieren dürften.
 

Veränderung von unten
Im Bistum Basel ministrieren Mädchen seit den 70er-Jahren. In einem Protokoll der Deutschschweizer Ordinarienkonferenz von 1976 heisst es: «An vielen Orten werden Mädchen als Ministranten eingesetzt. Sie haben es als Diskriminierung empfunden, dass sie nicht ministrieren durften.» Laut Rolf Fäs, Archivar im Bistum Basel, gab es dazu weder eine offizielle Erlaubnis des Bischofs noch einen Beschluss, dies den Pfarreileitungen zu überlassen. «Vielmehr scheinen sich Ministrantinnen einfach immer mehr verbreitet zu haben», so Fäs.
2021 gab es im Kanton Bern 655 Ministrant:innen, teilt das Pastoralsoziologische Institut mit. Eine Umfrage des «pfarrblatt» zeigt, dass die Zahl der Mädchen insgesamt leicht überwiegt. In mehreren Pfarreien des Kantons gab es nachweislich schon vor über 30 Jahren Ministrantinnen, in der Pfarrei Münsingen gar vor 1977.

 

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.