Kirchensteuern für juristische Personen? Wahrscheinlich ein alter Zopf, der aber nicht einfach so abgeschnitten werden sollte. Regula Furrer (kath.), Ursula Marti (ref.), ganz rechts, Motionär Carlos Reinhard (FDP-Grossrat).

Wie weiter mit der Kirchensteuer?

Podiumsdiskussion des Polit-Forums Bern am 4. März

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion des Polit-Forums Bern beschäftigten sich Politikerinnen, Politiker und Kirchenvertreterinnen und -vertreter mit der Frage, ob das System der Kirchensteuern überholt sei.

Von Erik Brühlmann

Das Thema ist im Kanton Bern derzeit in aller Munde: die Kirchensteuern. Unter dem Titel «Kirchensteuer – ein alter Zopf?» ging am 4. März eine illustre Runde im Käfigturm unter anderem der Frage nach, ob das heutige Modell der Kirchensteuer noch aktuell sei. Dazu eingeladen hatte das Polit-Forum Bern.

Gleichlange Spiesse

Hintergrund für das Podiumsgespräch war die Motion Reinhard, mit welcher der FDP-Fraktionspräsident und Grossrat Carlos Reinhard die Freiwilligkeit der Kirchensteuer für juristische Personen erreichen möchte. Er habe nichts gegen die Kirchen und anerkenne, dass sie sehr viel für die Gesellschaft leisten, stellte Carlos Reinhard zu Beginn des Abends klar. «Aber es gibt noch viele andere Organisationen, die ebenfalls viel leisten, aber nicht das Privileg haben, viel Geld zu erhalten.» Mit seiner Motion wolle er erreichen, dass alle im gesellschaftlichen Bereich tätigen Organisationen mit gleich langen Spiessen arbeiten – und das die Unternehmerinnen und Unternehmer selbst entscheiden können, wen sie unterstützen möchten. Er sei überzeugt, dass die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer sich auch weiterhin für gesellschaftliche Belange engagieren würden. Gerade dies sah die SP-Grossrätin und Synodalrätin der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn Ursula Marti völlig anders: «Freiwilligkeit ist faktisch eine Abschaffung», sagte sie. «Dann sprechen wir nicht mehr von Steuern, sondern vielleicht noch von Spenden.» Sie halte die Motion deshalb für gefährlich, weil dann viele wichtige Leistungen, von denen die ganze Gesellschaft profitiere, wohl nicht mehr im bisherigen Mass erbracht werden könnten.

Motion oder Postulat?

Die Diskussionsrunde im Käfigturm fand nur zwei Tage vor dem Termin statt, an dem der Grosse Rat die Motion behandeln wollte. Deshalb liess es sich der Moderator Elias Rüegsegger, Geschäftsleiter «UND Generationentandem», auch nicht nehmen, die politischen Befindlichkeiten abzuklopfen. Eine Frage, auf die es keine einfache Antwort gebe, so Carlos Reinhard, weil die Meinungen innerhalb der Fraktionen zu seiner Motion gespalten seien. Der Berner Regierungsrat empfahl vorgängig das Umwandeln der Motion in ein Postulat, in einen Prüfauftrag – eine Empfehlung, die sowohl beim Motionär als auch bei Ursula Marti grundsätzlich auf offene Ohren stiess, auch wenn Carlos Reinhard sich noch nicht in die politisch-taktischen Karten sehen lassen wollte. «Mir ist wichtig, dass wir am Ende eine gute inhaltliche Diskussion haben und nicht einfach ein Kirchen-Bashing», sagte er. «Vielleicht ist ein Postulat wirklich die beste Lösung, um alle Parteien an einen Tisch zu holen und gute Lösungen zu finden.» Hauptsache, das Thema werde diskutiert, fand der Grossrat, denn wenn die Motion jetzt abgelehnt und das Thema ad acta gelegt werde, werde es in einigen Jahren wieder hervorgeholt. Irgendwann gehe ein Vorstoss dann durch, vielleicht in radikalerer Form, als es jetzt der Fall wäre.

Kirchen sind etwas old-school

Nach dem Einstiegsduell der beiden Grossratsmitglieder wurde die Diskussionsrunde erweitert. Regula Furrer Giezendanner vertrat als Generalsekretärin die Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Bern; der reformierte Pfarrer Matthias Inniger brachte als Wissenschaftler mit dem Spezialgebiet Religionspolitik und Religionsdiversität einen neuen Blickwinkel in die Runde; und Sandra Frey, Co-Präsidentin der Freidenkenden Bern-Fribourg-Solothurn, vertrat säkulare Standpunkte. Es entwickelte sich ein lebhaftes Podiumsgespräch, bei dem sich schnell ein gemeinsamer Nenner fand: Die Kirchensteuer in ihrer heutigen Form ist vermutlich ein alter Zopf. Dieser Zopf darf aber nicht einfach mit der Sparschere abgeschnitten, sondern muss zukunftsfähig neu geflochten werden. In dieser Hinsicht sei die Umwandlung der Motion in ein Postulat ein guter Weg, «dass man sich austauscht und einen Weg findet, der für die Landeskirchen, aber auch für die Unternehmer und andere Interessierte eine Lösung bieten könnte», sagte Generalsekretärin Regula Furrer Giezendanner exemplarisch. Anderer Ansicht war lediglich Sandra Frey, der die Abneigung gegen die Institution Kirche deutlich anzumerken war: «Aus Sicht der Freidenker ist es jetzt an der Zeit, zumindest einmal die Kirchensteuer für juristische Personen abzuschaffen», befand sie. Auch die Tatsache, dass der Kanton die Löhne der Seelsorgenden garantiere, sei «extrem unzeitgemäss und unangebracht». Interessante Impulse brachte Pfarrer Matthias Inniger ins Spiel, der die Kirchen als «etwas old-school» bezeichnete. Man müsse merken, dass es nicht mehr nötig sei, so monopolistisch wie bisher zu denken und dass es in Ordnung sei, Ressourcen mit anderen zu teilen, sagte er zum Beispiel. «Und wir müssen ganz gut schauen, dass auch die konfessionslose Bevölkerung das Ganze mittragen kann.» Gerade weil sich die Gesellschaft verändere, sei es jetzt tatsächlich eine gute Gelegenheit zu diskutieren, wie tragfähige Zukunftsmodelle aussehen könnten, pflichtete ihm Synodalrätin Ursula Marti bei.

Publikum nicht grundsätzlich gegen Kirchensteuern

Immer wieder wurde auch das Publikum in die Diskussion mit einbezogen, es durfte Fragen stellen und sogar «abstimmen». So sprach es sich zum Beispiel grossmehrheitlich gegen die Annahme der Motion Reinhard aus. «An der Landsgemeinde würde der Vogt jetzt sagen: Ich sehe ein Mehr», kommentierte der Motionär das Ergebnis mit Humor. Ebenso deutlich dafür sprach sich das Publikum hingegen aus, dass der Regierungsrat bei einem Postulat prüfen solle, ob und wie das Gesetz für eine Kirchensteuer juristischer Personen angepasst werden kann. «Prüfen kommt offenbar besser an als Befehlen», so Moderator Elias Rüegsegger. Ein Indiz dafür, wie die Mitglieder des Grossen Rats zwei Tage später entscheiden würden, war dies Kleinstabstimmung zwar nicht; immerhin zeigte sie aber, dass das Kirchensteuerthema zwar mit Wohlwollen, aber doch auch sehr aufmerksam und kritisch verfolgt wird.

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