Volodymyr Horoshko spricht anlässlich des Benefizkonzertes vom 30. März in der Marienkirche Solothurn.

«Wir brauchen auch seelischen Beistand»

Pfarrer Horoshko betreut die ukrainische Gemeinde in der Dreif

Miteinander beten, gemeinsam essen, teilen, sich nicht allein fühlen. Das bietet Pfarrer Volodymyr Horoshko den ukrainischen Flüchtlingen in der Schweiz. Er lebt seit fünf Jahren hier und ist auch in Bern für die Ukraine-Seelsorge zuständig.

Von Silvia Rietz*

Wie reagierten Sie und Ihre Familie auf den Kriegsausbruch?

Volodymyr Horoshko: Jeder von uns wollte sofort helfen. Oft verzweifelte ich, weil es schwierig und nie genug war. Da spürte ich Gott, der sagte: Leiste dein Möglichstes, dort, wo du gerade bist. Kraft dafür schenkt mir die grosse Solidarität mit der Ukraine, das gemeinsame Beten mit Schweizerinnen und Schweizern, Hilfsaktionen und Benefizanlässe.

Wie begleiten Sie in die Schweiz geflüchtete Kriegsopfer?

Ich versuche, so oft als möglich bei ihnen zu sein, mit Informationen und Gesprächen als Seelsorger, Mensch und Freund, zu helfen. Dies ist wichtig, da sich Flüchtlinge in einem fremden Land einsam fühlen können. Oft entwickeln traumatisierte Kriegsopfer Traumafolgestörungen, die nur Fachstellen behandeln können. Wichtig ist, miteinander für den Frieden zu beten. In unserer Tradition bringen wir etwas Gutes zum Essen mit, sitzen nach der Liturgie zusammen und teilen, was wir haben. In der Gemeinschaft können sich die Familien austauschen, nützliche Tipps oder Ratschläge geben und fühlen sich dadurch nicht mehr so alleine. Die Ukrainer im Ausland und in der Heimat brauchen nicht nur humanitäre Hilfe, sondern auch seelischen Beistand und menschliche Zuwendung.

Sie arbeiten eng mit dem Verein «Ukrainer in Bern» zusammen. Existieren über die Gottesdienste hinaus Projekte, bei denen Sie und Ihre Frau Irina sich engagieren?

Schon vor dem Krieg haben wir gut zusammengearbeitet und die Institution hat viele wertvolle Projekte organisiert. So wurden Wohltätigkeitsveranstaltungen für Waisenhäuser in der Ukraine durchgeführt. Auch da versuche ich, mein Möglichstes zu geben, Aktionen zu planen und zu bewerben. Derzeit bauen wir die ukrainische Schule «Ridne Slovo» auf. Hier werden ukrainische Kinder von Lehrerinnen unterrichtet, die aus der Heimat geflüchtet sind. Zudem leitet meine Frau eine ukrainische Pfadfinder-Organisation.

Mitten in Europa herrscht Krieg: Familien werden auseinandergerissen, Tote und Verletzte sind zu beklagen, Lebenspläne, Hab und Gut werden zerstört. Fragen Sie sich nie, wie Gott die Gewalt zulassen kann? Wie können Sie den Opfern den Glauben an einen gütigen und gerechten Gott zurückgeben und stärken?

Іn dem ich mit den Menschen spreche und ihnen aufzeige, dass der Herr selbst in der schrecklichsten Not nahe ist. Er ist bei denen, die Unrecht erleiden. Ich versuche, den Kriegsopfern die liebevolle Gegenwart Gottes anhand seiner unzähligen Gaben zu verdeutlichen. Allein die Gnade, dass sie Bombenangriffe überlebten, zeigt sein Wirken. Wie auch die Tatsache, dass die Flüchtlinge von der Schweiz gastfreundlich aufgenommen wurden. Gott schafft Gelegenheiten und Chance für ein neues Leben. Ohne die Fürsorge des Herrn wäre dies nicht möglich.

Wie veränderte der Krieg Ihren persönlichen Glauben?

Hat sich mein Glaube verändert? Ja, er ist stärker geworden! Ich spürte Gottes Gegenwart in den schrecklichsten Situationen menschlicher Selbstsucht, im Krieg. Ich habe gesehen, wie aus gewöhnlichen Frauen unermüdliche Freiwillige wurden, aus Männern mutige Soldaten und Kämpfer. Ich sehe, wie Menschen Eigeninitiative ergreifen, um das Land zu retten, dort wo der Staat versagt. Auch wenn einige internationale Politiker sich nicht getrauen, sich für die Wahrheit zu entscheiden, so ist doch Gott für uns da. Er gibt uns zu verstehen: Du bist nicht allein, ich erinnere mich an Dich. Es gibt ein Ende allen Leidens – dies schenkt Hoffnung, wider alle Hoffnungslosigkeit.

Wenn Sie zurückblicken, wie sind Sie in der Schweiz aufgenommen worden? Spürten Sie Befremden, weil Sie ein verheirateter Priester sind?

Meine Erfahrungen unterscheiden sich nicht von denen anderer Migranten: Auch ich musste bürokratische Hürden überwinden und lebte ein Jahr lang ohne meine Lieben, da ich zu wenig verdiente, um die Familie zusammenzuführen. Für das römisch-katholische Umfeld war schwer zu verstehen, dass ich ein verheirateter Priester bin. Da gab es viel Misstrauen und ich musste ständig erklären, dass die katholische Kirche nicht nur lateinisch ist, sondern aus mehr als zwanzig anderen Kirchen besteht, die ihre eigenen Traditionen, Kanons und Liturgien pflegen. Eine davon ist jene Kirche, die dem byzantinischen Ritus folgt (besser bekannt als orthodoxen) und in der ein Mann, bevor er Priester wird, wählen kann, ob er heiraten oder zölibatär leben möchte.

Wie empfinden Sie die kulturellen Unterschiede zwischen der Ukraine und der Schweiz?

Ich registriere zwischen uns mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Vom Charakter her verteidigen wir unsere Freiheit und Unabhängigkeit, sind fleissig und arbeitsam, schätzen unsere Kultur, Traditionen und Eigenheiten, respektieren aber auch andere Kulturen und Religionen. In diesem Sinne akzeptieren wir nicht, wenn eine Nation sich über die andere erhebt, wie es gerade im Krieg mit Russland geschieht. Frieden beginnt erst, wenn die Versöhnungsarbeit anfängt. Da sind wir alle gefordert. Ich danke den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern für ihre Grosszügigkeit und Offenheit. Möge der Herr sie dafür segnen.

 

Volodymyr Horoshko wurde 1980 in der Ukraine geboren und setzte sein Studium am Päpstlichen Orientalischen Institut an der Fakultät für Kirchenrecht in Rom fort. Nach dem Studium kehrte er in die Ukraine zurück und wurde zum Diakon und 2010 zum Priester der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche geweiht. Während fünf Jahren begleitete er ukrainische Auswanderer in Lugano, Bern und Basel. Neben der Ukrainer-Seelsorge war er in Lugano in der Pfarrei Santa Maria degli Angeli tätig. Seit 2022 ist Volodymyr Horoshko priesterlicher Mitarbeiter in der Bistumsregion Deutsch-Freiburg. Er spricht Ukrainisch, Russisch, Englisch, Italienisch und Deutsch. Volodymyr Horoshko ist verheiratet, das ist Priestern der Ostkirche erlaubt.

Ukrainische griechisch-katholische Kirche
Die Liturgie der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche (UGKK) wird nach byzantinischem Ritus gefeiert. Die Sprache im Gottesdienst ist Ukrainisch, nicht Kirchenslawisch. Der Pfarrklerus kann vor der Weihe die Ehe eingehen. Die UGKK ist mit der römisch-katholischen Kirche uniert und erkennt den Papst als ihr geistliches Oberhaupt an.

Ukrainisch-orthodoxe Kirchen
Die Mehrheit der ukrainischen Christen gehört zur Orthodoxie, entweder der selbständigen (autokephalen) ukrainisch-orthodoxen Kirche oder der russisch-orthodoxen Kirche der Ukraine. An einem Landeskonzil hat die russisch-orthodoxe Kirche der Ukraine Ende Mai 2022 den Angriffskrieg Russlands und die Haltung des Moskauer Patriarchen verurteilt und sich von der russischen Kirche losgesagt.

Ukrainischer Gottesdienst in der Berner Dreifaltigkeistkirche
Ukrainisch-katholische Gottesdienste finden jeden Sonntag um 12 Uhr in der Krypta der Basilika Dreifaltigkeit in Bern statt. Nach dem Gottesdienst ist Zeit und Raum für gemeinsames Mittagessen und Zusammensein. Mehr Infos: Lyudmyla Zuber, 078 766 41 40, millaschweiz@hotmail.com

 

* Silvia Rietz ist Redaktionsleiterin des Antoniusheftes. Erstpublikation im Kirchenblatt Solothurn.

 

 

 

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