90 Sänger*innen aus 24 Nationen singen im Chor der Nationen. Sie proben auf ...

«Wir integrieren uns gegenseitig»

Interkulturell und bereichernd - der Chor der Nationen

Menschen aus aller Welt finden in Basel, Bern, Glarus, Luzern und Zürich zusammen, um im Chor der Nationen gemeinsam zu singen. Ob bei Proben oder Anlässen, die Mitglieder erkennen ihre Verschiedenheit als Stärke. Aktuell laufen die Konzertproben des Berner Chors auf Hochtouren. Das «pfarrblatt» hat genauer hingehört.

Von Anouk Hiedl


John Moore wurde in den USA geboren und lebt seit knapp 40 Jahren in Bern. Etwa 10 Jahre lang sang er im Eltern- und Oberstufenchor der Rudolf Steiner Schule Bern mit. Heute ist er pensioniert und dreifacher Grossvater. 2015 lud ihn eine Bekannte zu einer Probe des Chors der Nationen ein. Seither ist er im Tenor dabei. John gefällt das Repertoire, die Atmosphäre und die bildhafte Art, wie Bernhard Furchner den Chor leitet. «In den Proben stehen wir meistens. Mit der guten Mischung aus Disziplin und Lebhaftigkeit gehen diese zwei Stunden schnell vorbei und erfüllen mich.» Die Nationalhymne Südafrikas von Enoch Sontonga, «Nkosi Sikelel' iAfrika», singt John am liebsten. «Der Inhalt und Rhythmus sowie die Kraft und Lyrik dieses Lieds stehen für die Hoffnung und Zuversicht des afrikanischen Volkes.» Sehr gern erinnert er sich ans Konzert von 2015 im KKL, als im Publikum unter anderem 200 Asylsuchende sassen. «Es herrschte eine festliche Stimmung, und der volle Saal war von einer Innigkeit erfüllt.»

 


Die Togolesin Valentine Dick lebt seit 13 Jahren in der Schweiz, hat zwei Kinder und arbeitet in einem Eltern-Kind-Treff in Bern. 2014 gefiel ihr ein Konzert des Chors der Nationen so gut, dass sie seit einer Schnupperprobe 2015 im Alt mitsingt. «Ich fühle mich sehr wohl hier, wir sind wie eine Familie. Als Migrantin war ich in der Schweiz erst ohne grosses Umfeld. Im Chor habe ich Bekannte und Freunde gewonnen, wir tauschen uns aus und bringen uns auf neue Ideen und Antworten. Das ist super für die Integration.» Die Proben findet Valentine angenehm und anspruchsvoll. Je nach Programm studiert der Chor bis zu 12 neue Lieder ein, etwa auf Afghanisch, Chinesisch oder Türkisch – der Anfang sei da immer schwer. Doch die Muttersprachler*innen aus dem Chor helfen bei der Übersetzung und Aussprache der Texte. Das Lied «May the road» aus ihrem ersten Jahr beim Chor bleibt in Valentines Kopf und Herzen. «Dieses Lied hat eine einfache und schöne Melodie, es hat mich sehr berührt.» Im Programm von 2018 übernahm Valentine den Solopart in «Malaïka» aus Tansania und sang diesen unter anderem im für seine Akustik international bekannten KKL. Das Konzert war an dem Tag sehr gut besucht – «ein Highlight und eine grosse Ehre für mich.»

Von- und miteinander lernen

Den Berner Chor der Nationen gibt es seit 2012. Er umfasst aktuell 90 Sänger*innen und 24 Nationen. «Der Chor soll mindestens zur Hälfte aus Menschen mit Migrationshintergrund bestehen, von Eingebürgerten über Secondos bis hin zu Asylsuchenden», sagt die Präsidentin des Chors, Theres Spirig-Huber. «Das bringt viel Potential, gerade auch zur Integration bzw. Inklusion – wir integrieren uns alle gegenseitig.» Der Chor ist in jeder Hinsicht bunt und vielfältig. An Konzerten wird das auch anhand der Landestrachten deutlich, z. B. aus Schweden, der Ukraine oder Syrien. Nicht sichtbar ist, dass manchmal auch Menschen mit Aufenthaltsvisum oder die Frau eines Botschafters mitsingen. «Wir sind ein Chor für alle, die «Anderen» gibt es nicht», so Spirig-Huber.

Bernhard Furchner versteht es als Chorleiter, Inklusion und Musik zu verbinden. Während der Proben lernen sich die Sänger*innen kennen und schätzen und wechseln auch mal die Rollen. Muttersprachler*innen werden für die Aussprache der fremdsprachigen Liedtexte zu Lehrpersonen für den ganzen Chor. Auch Filmabende oder Velotouren ermöglichen interkulturelles Lernen, und bei gemeinsamen Treffen gibt es stets viele internationale Speisen. Viele wollen Gaumenfreuden aus der Heimat anbieten, Neues probieren und sich über die Zubereitung austauschen. «Diese Anlässe der Begegnung sind für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund wichtig. Man erfährt voneinander, kann Unterschiede wertschätzen und sich vom Reichtum dieser Vielfalt bereichern lassen.» Inklusion findet so wie von selbst statt. Die entsprechend gute und gewinnende Ausstrahlung des Chors sei denn auch ein häufiges Feedback nach Konzerten.

Der Chor der Nationen wurde 2006 als Integrationsprojekt ins Leben gerufen. Mittlerweile gibt es in Basel, Bern, Glarus, Luzern und Zürich fünf Standortchöre aus vielen Kulturen und Sprachen, alle unter der Leitung des Musikers und Pädagogen Bernhard Furchner. Schweizweit singen rund 300 Menschen mit, je nach Jahr sind 30 bis 40 Nationen vertreten. Jeder Chor hat seine eigenen Konzerte und wird durch Zuzüger*innen aus anderen Chören verstärkt, vereinzelt kommt es zu gemeinsamen Auftritten.

Chor der Nationen Bern: Jahreskonzert «Tradition bewegt III»
Samstag, 23. November, 19.00, Französische Kirche, Bern.
www.chordernationen.ch

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