Auch die staatskirchenrechtlichen Körperschaften trifft eine Mitschuld am Vertuschen und Verschweigen, sagt RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger. Die Kantonalkirchen könnten gemeinsam bei ihren jeweiligen Bischöfen transparente Kommunikation einfordern.
Interview: Sylvia Stam
Welche Konsequenzen ziehen Sie als Vertreterin der RKZ aus dieser Studie?
Die Studie und die ausgewählten Fallbeispiele darin haben aufgezeigt, dass auch wir als staatskirchenrechtliche Körperschaften Mitverantwortung tragen. Als Kantonalkirchen, als Kirchgemeinden, weil wir bei der Anstellung und Auswahl der Angestellten wesentlich mitwirken, auch bei deren Führung und allfälliger Entlassung. Daher tragen wir eine Mitschuld am Vertuschen und Verschweigen. Wir werden alles tun, damit diese Kultur in Zukunft keinen Nährboden mehr findet.
Inwiefern haben denn Körperschaften und Kirchgemeinden bei der Anstellung auch vertuscht?
Die Archive von Kirchgemeinden und Landeskirchen waren noch nicht so im Fokus der Pilotstudie. Ich weiss daher nicht, ob da auch Akten vernichtet wurden. Aber es wurden Täter, die bereits verurteilt waren, wieder angestellt. Dagegen haben sich auch die Kirchgemeinden nicht gewehrt.
Wussten denn Pfarrwahlkommissionen davon?
Es gibt öffentlich bekannte Fälle, in denen sie teilweise davon wussten. Aber in der Gesellschaft war das Bild verankert, dass Priester etwas Unantastbares sind. Anstatt die Betroffenen zu schützen ging es nur um das Image der Kirche.
Wie können staatskirchenrechtliche Gremien das heute verhindern?
Indem wir klar hinschauen und uns einsetzen für Prävention und Intervention im Bereich sexueller Missbrauch. Bei der Anstellung werden die Bewerbenden nach dem Verhältnis von Nähe und Distanz gefragt. Man fragt auch bei früheren Arbeitgeber:innen nach. Es gibt Selbstverpflichtungen, die neue Angestellte unterschreiben müssen. Man holt den Sonderprivatauszug ein. Auch in Pfarreiteams müssen Nähe und Distanz thematisiert werden.
Hat eine Kirchgemeinde Einsicht in die Akten des Bistums, wenn es zu einer Anstellung kommt?
Es gibt eine gewisse Akteneinsicht ins Dossier, aber sie ist begrenzt. Es gibt Aspekte, über die das Bistum aus Gründen des Personenrechtes keine Auskunft geben kann.
Wir haben heute mehrfach gehört, die Studie komme spät. Hätte die RKZ nicht früher Druck machen können, auch finanziell?
Die Studie ist spät, unbestritten. Es war ein langer Prozess der Einigung. Aber ich bin froh, dass nun eine nationale, unabhängige Studie durchgeführt wurde, bei der die drei grossen Player der katholischen Kirche gemeinsam hinschauen und gemeinsam aufarbeiten.
Sie sind Luzerner Synodalrätin. Angenommen, bei der Anlaufstelle im Bistum Basel wird ein Fall sexuellen Missbrauchs gemeldet, der noch nicht verjährt ist und einen amtierenden Priester beschuldigt. Das Bistum leitet in der Folge ein Strafverfahren ein. Erfährt das die Kirchgemeinde, in der der Priester tätig ist?
Das war bis jetzt noch nie der Fall. Ich gehe davon aus, dass sie das erfährt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass wir das in Zukunft erfahren werden.
Medien machten jüngst Verfahrensfehler und mutmassliche Vertuschung durch amtierende Bischöfe publik. Auch die Partner im dualen System erfuhren das aus den Medien. Welche Möglichkeiten sehen Sie seitens der Körperschaften, in solchen Fällen Transparenz einzufordern vom dualen Partner?
Im Fall «Denise Nussbaumer», den der Beobachter publik machte, gibt es einerseits ein kirchenrechtliches Verfahren, das jetzt in Rom läuft. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass auch administrative Untersuchungen ein geeignetes Instrument sein können. Das muss von Seiten der staatskirchenrechtlichen Körperschaften gefordert werden. Wie das konkret umzusetzen ist, müsste noch geklärt werden.
Wie war das für Sie aus den Medien zu erfahren, dass der amtierende Bischof von Basel, Ihr Partner im dualen System, Verfahrensfehler gemacht hat?
Es hat mich erschüttert, dass Fehler gemacht worden sind, wo das Vorgehen seit 2001 feststeht.
Wie partnerschaftlich ist diese mangelhafte Transparenz in der Kommunikation zwischen den Partnern?
Das ist kein Zeichen von Partnerschaft. Diese Partnerschaft ist nach wie vor eine grosse Herausforderung sowohl auf lokaler Ebene, kantonaler wie auf schweizerischer Ebene. Es ist eine Frage des Vertrauens, dass man da wirklich gemeinsam unterwegs ist.
Lässt sich hier mehr Transparenz einfordern?
Wir können sie einfordern, indem wir gemeinsam Druck machen, als staatskirchenrechtliche Behörden des Bistums. Wenn das einzelne tun, wird das wenig bewirken.