«Wo wir füreinander leben, da sind wir zu Hause»

Zum Tag der Migrant*innen am 26. September

Am 26. September feiert die katholische Kirche weltweit den 107. Tag der Migrant*innen unter dem Motto: «Auf dem Weg zu einem immer grösseren Wir».

Von Béatrice Panaro, Fachstelle Sozialarbeit der Region Bern

«Wir sind wie viele verschiedene und einzigartige Sandkörner», entwirft Papst Franziskus in seiner Video-Botschaft ein Bild zum Tag der Migrant*innen und Flüchtlinge. «Zusammen können wir einen wunderschönen Strand bilden, ein wahres Kunstwerk ... Wir sind aufgerufen, uns zu engagieren, damit es keine Mauern mehr gibt, die uns trennen, damit es keine anderen mehr gibt, sondern nur noch ein Wir, das so gross ist wie die gesamte Menschheit.» Gott rufe uns auch in dieser kritischen Zeit der Geschichte auf, gemeinsam eine Zukunft in Gerechtigkeit und Frieden aufzubauen und dafür zu sorgen, dass niemand aussen vor bleibt.

Utopie oder Illusion?

Dieses Bild von Papst Franziskus ist schön. Aber ist es realistisch? Es ist nicht nur realistisch, sondern auch absolut notwendig! Denn wir können uns nur gemeinsam den Herausforderungen stellen, welche die gesamte Menschheit betreffen: Klimawandel, Pandemien, Ungleichheiten, Menschenrechtsverletzungen, Kriege, Konflikte ...

Der Katholischen Kirche der Region Bern liegt es am Herzen, dass jeder Mensch einen Platz und eine Chance hat, sich zu entfalten und in Würde zu leben. Das ist es, was ich wahrnehme und wofür ich mich seit mehr als zwölf Jahren in der Berner Fachstelle Sozialarbeit im Asylbereich engagiere. Dabei spüren wir unüberhörbar die Dankbarkeit jener Menschen, die wir auf ihrem Weg begleiten und unterstützen. Woher bekommen wir die Kraft, in all den Krisen mit benachteiligten Menschen unterwegs zu bleiben? Ich erfahre, Gott gibt uns, was wir brauchen, damit wir an seinem Liebesplan für die Menschheit mitarbeiten: Kolleg*innen, die Kirche, die sogenannten «Klient*innen», Familie.

Ich gehöre zum Scalabrini-Säkularinstitut, das vor 60 Jahren in Solothurn entstanden ist. Uns Frauen verschiedener Herkunft und Kultur verbindet eine Berufung in der Nachfolge Jesu, der sich in vielen Menschen so vorstellt: «Ich war fremd und du hast mich aufgenommen. Was du meinen kleinen Geschwistern getan hast, hast du mir getan» (Mt 25, 35-42). Wir lehnen uns an die prophetische Intuition von Bischof G. B. Scalabrini (1839-1905) an. Mit den Augen des Glaubens konnte er im Aufbruch vieler Menschen einen Samen der Zukunft erkennen: durch die nicht immer einfache Begegnung von Menschen verschiedener Kulturen und Mentalitäten ist eine Welt am Entstehen, in der sie sich in der einzigen Menschheitsfamilie zugehörig entdecken. Unterwegs mit Einheimischen, migrierten und geflüchteten Menschen wirken wir in ganz unterschiedlichen Bereichen unserer Gesellschaft, damit ein Miteinander in der Vielfalt wachsen kann.

Unterwegs

Wir brauchen Orte und Erfahrungen, die uns helfen, zu entdecken, dass wir alle unterwegs sind, unterwegs zu unserem wahren Zuhause. Wenn wir uns dessen bewusst werden, dann ändert sich die Beziehung zu unserem eigenen Land, zu unserem Besitz – und auch unsere Beziehung zu Menschen, die aus anderen Ländern kommen. Erst dann begegnen wir den anderen, den «Fremden», den Geflüchteten auf Augenhöhe. So beginnt echte Aufnahmebereitschaft und Offenheit. Das erleben wir im Scalabrini-Bildungszentrum in Solothurn, wo junge Menschen zusammenkommen. Die einen sind in der Schweiz geboren, mit und ohne Migrationshintergrund, andere sind migriert oder geflüchtet. Aus den Treffen entstehen oft Tandems.

Verbindende Suche

Am Ende eines Treffens sagte L.: «Wir haben uns den Herausforderungen unserer Welt und den Fragen des Lebens und Glaubens stellen können, ohne Grenzen zwischen In- und Ausländern. Wir haben gemerkt, dass uns die Suche nach einem sinnvollen Leben, nach echten Beziehungen, nach Gott, verbindet. Er befähigt uns, das zu teilen, was jeder einzelne mitbringt. Alles kann dabei zur Gabe für den anderen werden: Armut und Reichtum, Freude und Schmerz, Unsicherheit und Sicherheiten. Dann stehen nicht mehr die eigenen Probleme im Mittelpunkt; wir werden offener, um auf den anderen zu hören.» Und John aus Eritrea erklärte: «Viele von uns haben alles riskiert, um einen Ort zu finden, wo es möglich ist, ein normales Leben zu leben. Unsere Familie und Heimat sind jedoch weit entfernt. Hier im Exil entdecke ich eine neue Heimat in der Beziehung mit anderen. Wo wir mit- und füreinander leben, da sind wir zu Hause.» Durch kleine, echte Schritte auf andere zu, verwirklicht Gott seinen Liebesplan für und mit der Menschheit.

 

Videobotschaft von Papst Franziskus

 

Fachstelle Sozialarbeit (FASA), Bern

 

Internationales Bildungszentrum Scalabrini

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.