Hintere Reihe, v.l.n.r.: Dolmetscherin Lyudmyla Zuber, Mariia (schwarze Haare) mit ihren zwei Kindern, Sr. Marthe-Francoise und Sr. Christine-Antoinette. Vordere Reihe: Olga mit ihren zwei Kindern, Lyudmyla

«Wir wollten einfach schnell helfen»

Drei ukrainische Familien finden Zuflucht in der Villa Maria

Die Villa Maria in Bern hat drei Familien mit vier Kindern aus der Ukraine aufgenommen. Zwei Kinder sind schwer krank. Nach dramatischer Flucht in die Schweiz finden die Familien hier eine Oase der Ruhe und der Kraft.

Von Vera Rüttimann

Vor drei Wochen flüchtete Mariia mit ihren zwei Kindern aus der Ukraine nach Bern. Sie waren die ersten ukrainischen Flüchtlinge, welche die Oblatinnen aufgenommen haben. «Sie waren traumatisiert, erschöpft und haben anfangs kaum gesprochen und gegessen», erzählt Sr. Marthe-Françoise.

Platz fand Mariia mit ihren beiden Jungs in einem der 21 Zimmer, die normalerweise von Gästen bewohnt werden. Per Zufall wurden gerade zwei grosse Zimmer frei. Sr. Marthe-Françoise sagt: «Wir konnten uns auf diese Situation gar nicht vorbereiten. Wir wollten einfach schnell helfen.»

Zwei Tage später kam eine weitere Not-Anfrage an die Oblatinnen, diesmal vom «McDonald-Haus» beim Inselspital Bern. Das Haus suchte dringend eine Bleibe für zwei Mütter mit ihren beiden krebskranken Kindern. Sie wurden vor drei Wochen mit der Swiss in die Schweiz eingeflogen. «Wir konnten nicht nein sagen. Jetzt leben also drei Familien bei uns», sagt die Leiterin der Villa Maria. Als sie bei der Villa Maria ankamen, trug die eine Familie ihre Kleider schon seit sieben Tagen.


Dramatische Fluchtgeschichten

Die Dolmetscherin Lyudmyla Zuber hilft den Schwestern in diesen Tagen bei der Verständigung. Die drei Frauen erzählen erstmals von ihrer dramatischen Fluchtgeschichte: Mariias Wohnung liegt in einem Vorort von Kiew. Die Geigerin, die im ukrainischen Nationalorchester spielt, flüchtete mit ihren zwei Kindern zu Fuss über die ukrainische Grenze nach Rumänien. Dann flogen sie über Mailand nach Zürich. Weiter reiste sie nach Bern. «Hier bin ich nicht allein. Seit zwei Jahren studiert mein ältester Sohn an der Uni.»

Olga stammt aus einem Städtchen in der Region von Tschernobyl. Eines ihrer zwei Kinder ist schwer krebskrank. Ein Tag vor Kriegsbeginn hatte es seine letzte Chemotheraphie in Lemberg. Mit ihr flüchtete auch Lydumyla. Olga hat die Bäuerin im Spital in Lemberg kennen gelernt, in dem auch ihr Sohn, auch er krebskrank, behandelt wurde. Beide Kinder brauchten dringend eine Weiterbehandlung. Die beiden Familien wurden mit einem Konvoi nach Polen gebracht. Sie gehörten zu jenen Flüchtlingen, die mit der Swiss ausgeflogen wurden. Die Schwestern bemühen sich nun um das leibliche Wohl der neuen Gäste. Die Familien nehmen es gerne an. «Die Mütter brauchen viel Zeit und Kaft, besonders für ihre kranken Kinder», sagt Sr. Marthe-Françoise.


Vielseitige Unterstützung

Die ukrainischen Familien fühlen sich wohl in der Villa Maria. Jede hat einen Bezug zur Kirche. Mariia sagt: «Ich empfinde es als Gottes Segen, dass ich hier sein darf. Ich spüre eine seelische Verbindung zu den Ordensfrauen. Der Ort gibt mir Kraft und seelische Ruhe.» So ergeht es auch Olga und Lyudmyla. Und dennoch leidet Letztere: «Ich will nach Hause für die Kartoffelernte!» Hier fühle sie sich wie eine «Dame»: zur Untätigkeit gezwungen.

Die Oblatinnen gewähren ihren neuen Gästen Voll-Pension. Alle benötigten dringend Kleidung und Schuhe. Die Schwestern besorgten es ihnen. Sie werden Hilfe bekommen: Die Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung hat in einer ausserordentlichen Hilfsaktion für die Ukraine eine Million Franken in Aussicht gestellt. Damit soll Menschen in der Schweiz, in Bern und in der Ukraine Menschen geholfen werden, die vom Krieg betroffen sind.

Unterstützung erhalten die Flüchtlinge auch von den Frauen, die zum offenen Mittagstisch in die Villa Maria kommen. Eine der Damen habe unlängst für die Kinder Puzzle-Spiele mitgebracht, weiss Sr. Christine-Antoinette. Noch ist offen, wie lange die neuen Gäste in der Villa Maria wohnen werden.

Die Chrisammesse in der Dreifaltigkeitskirche wurde für Mariia zu einem wunderbaren Ostergeschenk: Die Violistin durfte während der Messe ein Orgelspiel mitbegleiten. Sr. Marthe-Francoise erzählt: «Ihr Sohn hat überraschend dafür gesorgt, dass sie eine eigene Geige zum Spielen bekommt.»

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