«Ich könnte mir vorstellen, dass sie einfach ihrer Eingebung folgten, keinen Unterschied zwischen Himmel und Erde machten.» Foto: iStock

Zwischen zwei Feiertagen

Ein «theo-logischer» Meinungsbeitrag von Sandro Fischli

Ein «theo-logischer» Meinungsbeitrag von Sandro Fischli

Mit Maria Himmelfahrt beginnt das letzte Drittel des Kirchenjahres und mit Maria Empfängnis das neue. Ohne Empfängnis keine Geburt. kein Tod. So weit, so einleuchtend. Die kirchengeschichtliche Auslegung, von ausschliesslich Männern, ging da aber viel weiter. Ein Grund, hier ein bisschen weiter auszuholen.

Oft wird in Predigten an Himmelfahrt auf den Besuch von Maria bei Elisabeth hingewiesen und auf Marias Magnificat. Das ist wunderbar, hat aber mit der Empfängnis von Maria im Schoss ihrer Mutter Anna überhaupt nichts zu tun, dem Anlass des Feiertags. Von diesem Geschehen ist in der Bibel gar nirgends die Rede. Aber diejenigen, die sich für Kirchenväter hielten, stutzten ob der Frage, wie ein seit der Vertreibung aus dem Paradies von der Erbsünde gezeichneter Mensch, eine Frau,  den Sohn Gottes gebären konnte. Maria musste also irgendwie von diesem Makel gereinigt, davon befreit werden – in ihrer Empfängnis in Annas Mutterleib. Das bedeutet die sogenannte Unbefleckte Empfängnis, unbefleckt von der Erbsünde. Rein gar nichts von Jungfrauengeburt, ersteres ist bzw. wäre schon Wunder genug. Diese Theo-Logik hat etwas Bestechendes, nur ist sie nicht zu Ende gedacht: Auch Marias Mutter, Grossmutter und all ihre Ahninnen bis zur Urmutter Eva hätten, um Maria so empfangen zu können, genau gleich befreit sein müssen. Das Konzept der Erbsünde fiele in sich zusammen. Lassen wir es einmal dabei.

Der Zusammenhang mit Marias Himmelfahrt besteht theologisch nun genau darin, dass sie als von der Erbsünde Befreite als Einzige nebst ihrem Sohn nach ihrem Tod nicht auf das Gericht warten musste für die Auferstehung. So weit so gut. (Es hat übrigens eine schöne Logik, wie Himmelfahrt knapp 9 Monate nach Empfängnis gefeiert wird.)

Was hat es sich denn mit dieser Erbsünde auf sich, mit diesem schweren, bedrohlichen, dunklen Begriff? Von der Wortherkunft rührt das schlimme Wort Sünde ganz einfach von «sondern» her, von trennen, scheiden, unterscheiden. Die Erkenntnis von Gut und Böse, das war der Fall in die Diskriminierung, die ebenfalls trennen, absondern, abgrenzen bedeutet. Nicht, dass Gut und Böse nicht zentral wären für unser Leben, aber es wäre eine Richtschnur nur aus der Gnade Gottes heraus. Ohne unsere Überlegungen, in denen wir immer in unseren Ur-teilen irren. In einer berühmten frühen buddhistischen Schrift, dem Shinjinmei aus dem 6. Jahrhundert, ist die Rede, dass die kleinste Unterscheidung einen Unterschied so gross wie zwischen Himmel und Erde bewirke. Ich könnte mir vorstellen, dass sich Maria und Jesus als von dieser sogenannten Erbsünde Befreite gar nicht so viel gedacht haben in ihrem Tun, sondern einfach ihrer Eingebung folgten, keinen Unterschied zwischen Himmel und Erde machten. Das macht sie zu etwas Besonderem. Eine solche Befreiung befreit aber mitnichten vom Leiden, am Kreuz und unter dem Kreuz, sie wäre etwas ganz anderes, das Leiden Miteinschliessendes, Übersteigendes.

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