«Das Herz vieler Jugendlicher schlägt für Gerechtigkeit»

 

Mit Jugendlichen über Glauben reden heisst, ihnen einen Raum anbieten: Für Gespräche, Begegnung, Fragen. Eine Pfarreiseelsorger und eine Katechetin erzählen von ihren Erfahrungen. 

Interview: Anouk Hiedl
Fotos: Pia Neuenschwander 

«pfarrblatt»: Wie können Erwachsene Kinder und Jugendliche in Glaubens- und Lebensfragen begleiten? Wie kommt man ins Gespräch?

Jonathan Gardy*: Am besten mit viel eigener Neugier. Kinder und Jugendliche jeden Alters bringen immer schon nicht nur Fragen, sondern auch Antworten oder Antwortversuche mit. Die können überraschend und manchmal auch lehrreich sein. Der Verzicht aufs Besserwissen lohnt sich also für alle. Im Grunde genügt es, einen Raum zum Sprechen anzubieten. Es ist nicht anders als bei Erwachsenen: Das Gespräch gelingt, sobald die Jugendlichen merken, dass sie ernstgenommen werden und dass das Gesprächsergebnis nicht bereits feststeht.

Brigitte Schweizer**: Die Basis für echtes Gespräch und Austausch ist Beziehung. Um diese zu eröffnen, ist die achtsame Sicht auf die individuellen Bedürfnisse und Voraussetzungen meiner Schüler*innen essentiell. So sehe ich es als meine grundlegende Aufgabe, einen geschützten «Raum» für Begegnung anzubieten, welchen wir gemeinsam gestalten, und in dem eine vertraute Beziehung wachsen kann.
Ein «Raum», in dem wir uns unvoreingenommen und auf Augenhöhe begegnen und öffnen können. Biblische und auch profane Geschichten hören, die uns anregen, über unser eigenes Leben nachzudenken, Rituale gestalten, die «unsichtbare Lebensrealitäten» sichtbar werden lassen, Lieder singen, die uns auf eine «innere Reise» mitnehmen, ... und immer wieder in Beziehung zu Gott kommen, beten.


Welche Themen und Fragen beschäftigen die Kinder und Jugendlichen im Religionsunterricht?

Brigitte Schweizer: Ich glaube, es sind die gleichen Fragen, die alle beschäftigen, wenn wir zum Kern unseres Fragens und Suchens in unserem Leben, vordringen: Wer bin ich und wo ist mein Platz in dieser Welt? Wo bin ich geborgen, in was kann ich Vertrauen? Was ist gerecht? Gibt es einen Gott? Wo und wie ist Gott? Das Staunen über das «Grössere», in das ich eingebunden bin.

Jonathan Gardy: Das Herz vieler Firmand*innen schlägt für Gerechtigkeit. Sie haben ein starkes Gespür für die Würde jedes Menschen. Sie träumen von einer besseren Welt und sind bereit, sich dafür zu engagieren. Ihr Gottvertrauen ist die Grundlage dafür – sie müssen nicht ständig um sich selbst besorgt sein. Gleichzeitig fragen sie nach den «Plänen» oder Inspirationen Gottes für ihr eigenes Leben.
 

Wie kommen Sie zu Antworten?

Jonathan Gardy: Der Plural der Antworten ergibt sich aus den unterschiedlichen Beiträgen. Darunter hat die studierte Theologie eine Stimme – neben den persönlichen Meinungen der Jugendlichen.

Brigitte Schweizer: Ich glaube, die Frage ist mehr, ob ich etwas mitnehme, das mich bestärkt weiterzugehen, weiter zu suchen, die Hoffnung zu haben, etwas zu finden, auf mich und meine Fähigkeiten zu vertrauen – darüber hinaus auf Gott zu vertrauen, das Leben zu «wagen».
 

Wie gehen Sie das an?

Jonathan Gardy: Durch die Rolle des Seelsorgers muss meine Person hindurchschimmern, sonst entsteht keine Beziehung. Als Vertreter der Kirche biete ich den Jugendlichen Worte, Bilder und Gedanken aus Theologie und Tradition an; gleichzeitig anerkenne ich auch ihre Vorstellungen. Sie sind ja Christenmenschen wie ich – und auch durch ihr Glauben und Handeln lebt die Kirche weiter und entwickelt sich.

Brigitte Schweizer: Ich glaube, meine innere Haltung ist entscheidend, eine Art «Kompass» für alles weitere Tun. Diese gewonnene Haltung ist nicht vollumfänglich, sondern eine Ausrichtung, die ich immer wieder neu betrachten und überprüfen darf. Es ist mir wichtig, selbst Offenheit zu bewahren, die Kinder und Jugendlichen ernst zu nehmen und so achtsam und würdevoll den Menschen, die ich begleiten darf, zu begegnen. Stets mit der inneren «Ehrfurcht» und dem Bewusstsein, dass auch ich mich in unserer Begegnung weiterbewege; ich bin somit auch Lernende und werde beschenkt.

*Jonathan Gardy (30) ist Pfarreiseelsorger in Ostermundigen

**Brigitte Schweizer (50) ist Katechetin für heilpädagogischen Unterricht und Regelkatechese der Unterstufe in Ostermundigen, Stettlen, Ittigen und Bolligen

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