Franz J. Hinkelammert (Foto: P. Bernd)

Ein Leben für die Befreiung

DER BEDEUTENDE ÖKONOM UND BEFREIUNGSTHEOLOGE FRANZ HINKELAMMERT IST TOT.

Der bedeutende Ökonom und Befreiungstheologe Franz Hinkelammert ist tot

Am Sonntag, 16. Juli, starb Franz Hinkelammert in Costa Rica. An mehreren Tagungen durfte ich ihn erleben und kennenlernen - vor allem in La Roche im Kanton Fribourg im Kreis des Collège de Brousse. Franz hinterlässt uns eine ganz andere bahnbrechende revolutionäre Theologie. Seine Menschlichkeit, sein Humor und sein scharfes Denken werden uns fehlen.

Gerne gebe ich hier den Text wieder, den Freund und Kollege Joe Thali als Nachruf geschrieben hat:

"Franz Hinkelammert starb am Sonntag 16. Juli nach langen schweren Krankheiten in Costa Rica.

Für mich ist er ein grosser revolutionärer (einer der die Verkehrungen aufdeckt und umkehrt) Denker dieser Zeit. Er hat mich und eine Gruppe von Theologinnen und Theologen über ein Jahrzehnt begleitet mit seinen Texten, Reflektionen, Einsichten und Aussichten in La Roche/FR. Zeugnis davon gibt das Buch aus dem Exodusverlag Der himmlische Kern des Irdischen. Eigenmann, Urs / Füssel, Kuno / Hinkelammert, Franz Joseph. Das Christentum als pauperozentrischer Humanismus der Praxis.

Der Glaube Abrahams… (Siehe Foto unten) war das erste Buch, welches mich begeistert hat. Darin entzaubert er die Ideologien der Opfertheologien inkl. der Ideologie des totalen Marktes. Und klar auch die Ideologie des Messopfers.
Weitere grosse Werke waren:
Der Schrei des Subjekts - Vom Welttheater des Johannesevangeliums zu den Hundejahren der Globalisierung und Der Fluch, der auf dem Gesetz lastet. Paulus von Tarsus und das kritische Denken.

In diesen und anderen Büchern und in unseren Werkwochen verdichtete sich, dass wir ideologisch und den daraus entstehenden Praxen um das Leben und den Himmel (des Anwesenden in der Abwesenheit) auf Erden betrogen wurden und werden. Wir leben in einer Welt, in der wir sind, wenn wir die Anderen besiegen. Franz durchforstete alle philosophischen, ökonomischen, politischen und biblischen Texte, um klar zu machen, dass wir sind, wenn die Anderen sind. Wenn nicht, sind wir suizidal.

Franz, wir denken und kämpfen weiter. Danke!"

Norbert Arntz, Befreiungstheologe und Franziskaner, schreibt mit und für das ganze Team des Instituts für Theologie und Politik in Münster als Nachruf:

"Franz Hinkelammert, Ökonom und Theologe, geb. 1931 im westfälischen Emsdetten nahe Münster, ist im Alter von 92 Jahren in San José Costa Rica gestorben. Wir empfinden tiefe Trauer angesichts dieses letzten Adiós, zugleich aber eine immense Dankbarkeit für diesen schöpferischen Denker und Freund, der das Institut für Theologie und Politik von Beginn an begleitete. Wir danken ihm dafür, dass er die Anstrengung unseres eigenen Denkens durch seine Kreativität beflügelt und den Widerstand gegen die Diktatur der Alternativlosigkeit durch die Suche nach Alternativen hartnäckiger gemacht hat.

Es ist offensichtlich, dass angesichts der globalen Krise, die das Leben selbst bedroht, eine „große Transformation“ der Gesellschaft und ihrer Institutionen erforderlich ist. Franz Hinkelammert hat weniger daran gearbeitet, konkrete Alternativen zu entwickeln (die zweifellos sehr notwendig sind), als vielmehr daran, die für eine solche Transformation notwendigen Bedingungen aufzuzeigen, Bedingungen, die das ganze menschliche Leben –individuell und gesellschaftlich, materiell und spirituell zugleich – sichern müssen, also auch das Leben der Natur. Alle Werke von Franz Hinkelammert durchzieht die Ethik des Zusammenlebens und die Spiritualität der Befreiung. Seine Arbeit war geleitet von der Überzeugung, dass „der Mensch das höchste Wesen für den Menschen ist“ (Karl Marx) und dass jeder Gott, für den der Mensch nicht das höchste Wesen für den Menschen ist, als Götze entlarvt werden muss.
Vier Leitlinien seines Denkens und Arbeitens werden uns über seinen Tod hinaus inspirieren:
• die Kritik lebensfeindlicher Rationalitäten: der instrumentellen Rationalität und des utilitaristischen Kalküls im Eigeninteresse.
• die Kritik des Markt-Denkens, das beansprucht die Wirtschaft ausschließlich am Markt zu orientieren und die Gesellschaft als „Marktgesellschaft“ zu organisieren, mit der entsprechenden Legitimierung und Sakralisierung;
• die Analyse der Moderne, ihrer Herrschafts-Mythen und ihrer Spiritualität der Macht.
• die Suche nach den Bedingungen der Möglichkeit, dass eine andere Welt möglich wird – der Überlegenheit der herrschenden Mächte, ihrer Institutionen, ihrer Strukturen und ihrer Mythen zum Trotz.
Das Studium des Werks, das Franz Hinkelammert uns als Erbe hinterlässt, wird uns dazu ermutigen, kreativ und antitotalitär zu denken, jegliche imperiale Logik aufzuspüren und als rebellisches Subjekt in Gemeinschaft zu wirken.
In einem Wort: Wir werden – wie er – Theologie treiben, um die Würde des Lebens zu schützen und die Götzen des Todes zu entlarven."

Sollte es in der Schweiz eine Gedenkveranstaltung für Franz Hinkelammert geben, wird hier darüber informiert. Seine Bücher in deutscher Sprache sind in der Luzerner Edition Exodus aufgelegt und grösstenteils noch erhältlich. Sein neuestes Werk trägt den Titel Utopie, Mythos Religion. Von der Kritik der Moderne zum Humanismus der Praxis und ist gerade erst dieses Jahr 2023 erschienen.

Peter Bernd

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