Am 20. Februar stellten die Berner Landeskirchen die Leistungsberichte vor, welche sie als Grundlagen für die Diskussion über die künftige finanzielle Unterstützung durch den Kanton erstellt hatten. Dass sie das im HipHop Center in Bern Wankdorf taten, hatte gute Gründe.
von Erik Brühlmann und Marius Leutenegger
Eine Medienkonferenz zu den gesamtgesellschaftlichen Leistungen der Kirchen im HipHop Center in Bern Wankdorf – das wirkt im ersten Moment doch sehr ungewöhnlich. Bei genauerem Hinsehen ist der Veranstaltungsort jedoch klug gewählt. Denn das HipHop Center ist eines der vielen Angebote im Kanton, die es ohne die Unterstützung der Kirchen nicht gäbe.
Betriebsleiter Gabriel Friderich gab einen kurzen Überblick über die vielen Aktivitäten und Angebote des Centers, vom eigenen Tonstudio über HipHop-Gottesdienste in den Gemeinden bis hin zu Projekten mit ähnlich gelagerten Angeboten im Ausland. Seit fast drei Jahren ist das Center sogar ein Ausbildungsbetrieb für Lernende. «Das HipHop Center entstand vor 18 Jahren aus einer Zusammenarbeit mit der Kirchgemeinde Markus», so Gabriel Friderich. Diesen Kirchenbezug hat es bis heute erhalten, deshalb wird es von den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Region Bern (AKiB) finanziell unterstützt. Ohne diese Unterstützung gäbe es das HipHop Center nicht – ein Zusammenhang, der sich wie ein roter Faden durch die Medienkonferenz zog, deren Motto «Kirche ist mehr, als du glaubst» den Kern der Sache punktgenau traf.
Die Kraft der Freiwilligkeit
Doch es ging an diesem Vormittag natürlich nicht um HipHop, sondern um die gesamtgesellschaftlichen Leistungen der Berner Landeskirchen. Diese wurden als Grundlage für die künftige finanzielle Unterstützung durch den Kanton erstmals in Rechenschaftsberichten festgehalten und quantifiziert. Die Zahlen, die Christoph Schuler, Präsident des Landeskirchenrats Christkatholische Landeskirche des Kantons Bern den anwesenden Medienvertreterinnen und -vertretern präsentierte, sind in der Tat eindrücklich.
«Als Landeskirchen sind wir Partnerinnen des Staats», unterstrich er, und er hob das Netz der vielen Freiwilligen hervor. Im Durchschnitt leisten die Freiwilligen aller drei Landeskirchen 833'600 Stunden pro Jahr. «Man kann sich das gar nicht richtig vorstellen», so Schuler. Diese enorme Zahl entspricht einer Arbeitsleistung von rund 397 Vollzeitbeschäftigten. Die Freiwilligen erbringen im Namen der Kirchen also in städtischen Regionen ebenso wie in abgelegenen Gebieten auf dem Land gesamtgesellschaftliche Leistungen, die vom Staat in dieser Form nicht finanzierbar wären. «Das macht sie einzigartig und unverzichtbar für diese Gesellschaft», bilanzierte Christoph Schuler.
Leuchtturmprojekte
Doch was für Leistungen sind dies im Einzelnen? Marie-Louise Beyeler, Präsidentin der Landeskirchenrats der Römisch-katholischen Kirche des Kantons Bern, stellte einige von ihnen exemplarisch vor. «Denn wir möchten aufmerksam machen auf den wichtigen Beitrag, den die Kirchen im Kanton Bern leisten für das Zusammenleben der Menschen», sagte sie. «Unsere Angebote sind nämlich nicht nur für Kirchenmitglieder, sondern für alle Menschen da.» Daher würden viele Angebote auch von Nichtmitgliedern wahrgenommen.
Im Bereich Betreuung, vor allem von älteren Personen, werde die Arbeit der Kirchen immer wichtiger. Sie zeigt sich zum Beispiel im Engagement im Verein «Bärn treit» oder bei den immer wieder angebotenen Letzte-Hilfe-Kursen für Angehörige, die unheilbar kranke Menschen pflegen. Dazu kommen Seniorennachmittage, Seniorenferien und Mittagstische. «Diese sind, man glaubt es kaum, oft die einzigen Momente, in denen ältere Menschen die Möglichkeit für soziale Kontakte haben», so Marie-Louise Beyeler. Bildungs- und Freizeitangebote seien weitere wichtige Bereiche, in den die Kirchen aktiv seien.
Die Kirchen wirkten damit der zunehmenden Vereinsamung in der Gesellschaft entgegen; im Quartier oder im Dorf ein Miteinander zu erleben, schaffe Vertrauen, erweitere den Horizont und trage zur Lebensqualität bei. «Der Dienst am Menschen ist uns ein zentrales Anliegen», unterstrich Marie-Louise Beyeler.
Nicht nur für Senioren
«Die kirchliche Jugendarbeit hat sich in den letzten Jahren stark verändert» fuhr Judith Pörksen Roder, Synodalratspräsidentin Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn, fort – und sie entkräftigte damit das Klischee, die Kirchen seien vor allem für «die Alten» da. Junge Menschen interessierten sich zunehmend für grosse Themen wie Klimawandel oder Rassismus in der Gesellschaft. Hier seien sie bereit, sich zu engagieren, und hier könnten die Kirchen sie mit niederschwelligen Projekten abholen.
Schüler- und Jugendtreffs in Quartieren und Dörfern sind ein Beispiel dafür. «Dort erleben Jugendliche verschiedener Nationalitäten Teilhabe an Gemeinschaft und Kultur, dort erkennen sie den Wert des Dialogs und entwickeln ein Bewusstsein für den Wert gesellschaftlichen Engagements», so Judith Pörksen Roder. Sie verwies auch auf die Rolle der Kirchen bei der Unterstützung sozial schwacher und benachteiligter Menschen.
«Der Staat ist hier natürlich ebenfalls aktiv, doch er kann längst nicht alle Situationen abdecken.» Sozialberatungsstellen, die kirchliche Gassenarbeit oder die Unterstützung von Lebensmittelhilfen wie «Tischlein deck dich» gehören zu den vielen Beispielen, wie die Kirchen zum Wohl der Gesellschaft beitragen.
Essentielle Steuergelder
«Kirche ist tatsächlich mehr, als du glaubst», fasste Esther Richard, Präsidentin des Kirchgemeindeverbands des Kantons Bern, das Gehörte schliesslich zusammen. Sie betonte erneut die Wichtigkeit der Freiwilligen, die mit ihrem Engagement einen echten Service Public erbringen. Zur Sprache brachte sie zudem die Motion Reinhard, welche die Freiwilligkeit der Kirchensteuern für juristische Personen anstrebt – Gelder, welche die Kirchen für das Erbringen ihrer gesamtgesellschaftlichen Leistungen dringend benötigen.
«Jährlich fliessen 40 Millionen Franken Kirchensteuern der juristischen Personen an die Kirchgemeinden», so Esther Richard, «und es ist uns wichtig, dass Politikerinnen und Politiker sowie die ganze Bevölkerung wissen, dass diese Gelder nicht für kultische oder religiöse Zwecke eingesetzt werden dürfen. Sie müssen vollumfänglich in die Bereiche Infrastruktur, Bildung, Soziales und Kultur fliessen.»
Natürlich sind 40 Millionen Franken viel Geld. Doch eine Umfrage habe gezeigt, dass die Kirchengemeinen mehr Geld an das lokale, regionale oder kantonale Gewerbe ausgeben, als sie durch die Steuergelder juristischer Personen einnehmen. «Ein Wegfall dieser Gelder würde auch die Investitionskraft der Kirchgemeinden schwächen», ist Esther Richard überzeugt. «Noch einschneidender wäre jedoch, dass die Kirchen ihre Aktivitäten für die Gesellschaft massiv reduzieren müssten.» Was dies bedeuten würde, zeigen die vorgelegten Leistungsberichte deutlich.