Fit für die Zukunft machen

Berner Kirchenparlament diskutiert Strategien und Wege

Was mit der sogenannten «Motion Kissling» vor acht Jahren begann, fand am 27. November im Bümplizer Pfarreisaal seine Fortsetzung. Es geht um die Optimierung der Zusammenarbeit der Kirchgemeinden in Stadt und Region Bern. Darüber debattierte das Parlament der Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung (GKG), der Grosse Kirchenrat. Das Thema ist zwar drängend, gleichzeitig ist es emotional besetzt. Was deutlich wurde, eine grosse Fusion aller Kirchgemeinden ist vorläufig vom Tisch.

Es ist ein komplizierter Prozess, angestossen im Jahr 2011. Eine Motion des Vertreters der Pfarrei Dreifaltigkeit, Christian Kissling, verlangte damals über die Zukunft der staatskirchenrechtlichen Strukturen der röm.-kath. Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung zu diskutieren, die Zusammenarbeit zwischen den örtlichen Kirchgemeinden und der Gesamtkirchgemeinde zu optimieren. Das wurde in der Folge tatsächlich gemacht. Eine Fusion stand schon damals zur Diskussion, wurde aber verworfen. Allerdings blieb das Thema drängend. Pfarreien arbeiten immer enger zusammen, sie bilden inzwischen einen Pastoralraum.

Konkrete Probleme vor Ort

Pastoralraumleiter Ruedi Heim rief den Abgeordneten in Erinnerung, dass die Pfarreien Köniz und Wabern, Zollikofen und Bremgarten, Bümpliz und Bethlehem sowie die Pfarreien Dreifaltigkeit und Paroisse von jeweils einer Leitungsperson geführt würden. Die Zusammenarbeit sei so eng, dass Inhalte, Personal und die Organisation quasi fusioniert seien. Faktisch hat das Auswirkungen. Die Kirchgemeinden bestehen nämlich weiter, Finanzen oder Anstellungsverträge müssen immer doppelt beraten und ausgestellt werden – ein juristischer Drahtseilakt.

Auch bei den Missionen gibt es akuten Handlungsbedarf. Die GKG ist verantwortlich für die italienischsprachige und die spanischsprachige Mission. Diese agieren wie Pfarreien, sind aber finanziell komplett unterdotiert, operieren am Limit. Man schaue nur einmal die Löhne an, so Ruedi Heim.

Projekt Zukunft

Karl-Martin Wyss, Präsident des exekutiven Kleinen Kirchenrates (KKR), führte aus, dass die Herausforderungen gross seien, dass man mit Blick auf Gegenwart und Zukunft hier weiterdenken müsse. Die Gesellschaft verändere sich und mit ihr die Katholische Kirche Bern. Dem müsse man mit zweckmässigen Strukturen Rechnung tragen. Die gesellschaftliche Transformation und die Digitalisierung seien grosse Herausforderungen, auch für die Kirche. Sie würden aber gleichzeitig grosse Chancen bieten.

Er schlug nun vor diesem Hintergrund ein Projekt vor, «ein machbares, vernünftiges und gemeinschaftliches Projekt mit dem Namen Zukunft», so Karl-Martin Wyss. Und weiter: «Entscheidend für eine gute Zukunft sind zeitgemässe Grundlagen für das Zusammenwirken aller Beteiligten.» Man gestehe sich ein, dass man auf Diskussionen zur grossen Fusion zum jetzigen Zeitpunkt verzichten müsse. Gleichwohl könne man sich über weitere Optimierungen Gedanken machen. Das Projekt will sämtliche aufgezeigten Problemfelder ausräumen.

Die grosse Fusion

Vorab wurde festgehalten, dass die Fusionsabklärungen mit dem Zwischenbericht ergaben, dass eine Mehrheit der Kirchgemeinden mit einer grossen Fusion nicht einverstanden sind. Der Nutzen einer solchen Fusion sei nicht vorhanden, dieses Fazit zogen viele Kirchgemeindevertreter*innen in den sogenannten Dialoggesprächen. Man äusserte offenbar die Befürchtung, dass eine zentrale Organisation das Pfarreileben vor Ort nicht adäquat unterstützen könne.

Im Rat gab es nun zum Projektantrag des Kleinen Kirchenrates zahlreiche Gegenanträge, ein Eventualantrag wurde zurückgezogen. Alle drehten sich in irgendeiner Form um das Stichwort Fusion.

Der Antrag der beiden Abgeordneten Werner Bauer (St. Mauritius Bethlehem) und Markus Moser (St. Antonius Bümpliz) wollte die Fusion weiterverfolgen. Es müssten diesbezüglich Varianten erarbeitet werden. Die Dialoggespräche wurden stark kritisiert. Man wisse ja nicht, wie eine Fusion konkret aussehe. Mit den Worten: «die falschen Fragen an die falschen Leute zum falschen Zeitpunkt», zog Werner Bauer sein Fazit. Eine kompetente Entscheidung jedenfalls sei nicht möglich gewesen. Eine Fusion sei früher oder später ohnehin nicht zu umgehen, ein Abbruch sei zum jetzigen Zeitpunkt eine Verschwendung an Ressourcen.

Einige Kirchgemeinden schlossen sich in einer Minderheit diesen Ausführungen an. Insbesondere Roman Mayer (St. Josef Köniz). Er äusserte sich in mehreren engagierten Voten für die grosse Fusion. Diese sei unumgänglich. Er kritisierte ebenfalls die Dialoggespräche. Da sei zu wenig inhaltlich diskutiert worden. Der Wille zur Diskussion über die Fusion, die habe ihm gefehlt. Bloss die Diskussion darüber. Einige Kirchgemeinden hätten den Standpunkt vertreten, wer fusionieren will, der soll das tun, wir wollen nicht. Das sei für ihn, so Roman Mayer, zu wenig. Er sprach insbesondere die Kirchgemeinden Dreifaltigkeit und St. Marien an.

Deren Vertreter*innen Jérôme Brugger und Sabina Maeder verwahrten sich explizit gegen diesen Vorwurf. Man habe das Geschäft intensiv diskutiert. Man habe, so sagten beide übereinstimmend, den Nutzen nicht erkennen können. Wer fusionieren möchte, so Sabina Maeder (St. Marien), der solle fusionieren. Der Erfolge des Antrages Moser/Bauer blieb aus, er wurde mit 17 Nein bei 5 Ja abgelehnt.

Das Projekt Zukunft konkret

Erfolg hatte dagegen der Antrag der Geschäftsprüfungskommission (GPK), der mit 20 Ja angenommen wurde, bei fünf Enthaltungen. Inhaltlich gab es zwischen dem Projektantrag des Kleinen Kirchenrates und dem Antrag der Geschäftsprüfungskommission kaum Unterschiede. Karl Widmer (St. Franziskus Zollikofen), GPK-Mitglied, führte aus, dass der GPK-Antrag im Vergleich zu jenem des KKR «konkreter und verbindlicher formuliert» sei. In der Folge erklärte Karl-Martin Wyss, der Kleine Kirchenrat ziehe seinen Antrag zugunsten jenes der GKP zurück.

Somit wird das Projekt «Zukunft» nun also in diesem Sinn angepackt. Wesentliche Elemente sind, dass die grosse Fusion schubladisiert wird. Weiter werden die Strukturen und Abläufe innerhalb der GKG durchleuchtet, um sie zukunftsfähig zu machen. Mitarbeiter*innen sollen ein attraktives Umfeld vorfinden. Die Missionen sollen, «soweit möglich den Kirchgemeinden angeglichen werden». Die Rolle der Fachstellen sowie der Seelsorge nach Inhalten und Gruppen, nicht mehr nach Pfarreien, sollen verbindlich «positioniert werden». Eine angestellte Person soll nur noch einen Anstellungsvertrag erhalten. Zuletzt: wollen zwei Kirchgemeinden fusionieren, soll das unterstützt werden.

Hintergrund

Die Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung gibt es seit 1974. Sie ist eine Parallelstruktur zu den bestehenden Kirchgemeinden mit eigenen, klar definierten Kompetenzen. Es ist ein freiwilliger Zusammenschluss aller 12 Kirchgemeinden. Die GKG übernimmt für die Kirchgemeinden etwa die Erhebung der Kirchensteuern, erbringt Dienstleistungen im Personalwesen, bei der Finanzverwaltung und bei der Infrastruktur. Knapp 62'000 Katholik*innen sind Kirchenmitglieder in einer Kirchgemeinde auf dem Gebiet der GKG.

Andreas Krummenacher

 

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