Die Iranerin Mahtab Aziztaemeh hat die Flüchtlingssession mitorganisiert: «Wir wollen eine Stimme haben.» Foto: Pia Neuenschwander

Geflüchtete gehen geeint an die Öffentlichkeit

In der Berner Dreifaltigkeit fand die dritte nationale Flüchtlingssession statt

In der Politik werde oft über Geflüchtete gesprochen – aber nicht mit ihnen. Dies kam am 10. Juni an der dritten nationalen Flüchtlingssession in der Rotonda der Berner Dreifaltigkeitskirche zum Ausdruck. Zirka 90 Geflüchtete aus 13 Ländern nahmen daran teil. Sie verabschiedeten sechs Forderungen zuhanden der Schweizer Politik.

von Luca D’Alessandro

Es geht um Gleichberechtigung unter den Geflüchteten, Familiennachzug, psychische Gesundheit, F-Status, Arbeitsintegration und Zugang zu Aus- und Weiterbildungsangeboten. Die Bedürfnisse und Anliegen von geflüchteten Menschen in der Schweiz sind vielfältig, und sie setzen sich mit Nachdruck für ihre Anliegen ein.

Seit 2021 führen sie jährlich die Schweizer Flüchtlingssession durch, unter dem Dach des Partizipationsprojekts «Unsere Stimmen» des National Coalition Building Institute Schweiz (NCBI). Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Thalwil ZH engagiert sich für den Abbau von Vorurteilen, Rassismus und Diskriminierung.


Sinnhaftes Engagement

Sieben Kommissionen aus je sieben bis zehn geflüchteten Mitgliedern haben sich von März bis Juni auf die Flüchtlingssession 2023 vorbereitet, Forderungen ausgearbeitet und Botschaften zuhanden von Schweizer Parlamentsmitgliedern, Behörden- und Hilfswerksvertretungen formuliert. «Wir wollen eine Stimme haben und unsere Anliegen an die Öffentlichkeit und in die Politik tragen», sagt Mahtab Aziztaemeh (51).

Vor sieben Jahren kam sie aus dem Iran in die Schweiz, heute gehört sie zu den Mitorganisator:innen der Flüchtlingssession. Sie ist von der Sinnhaftigkeit dieses Engagements überzeugt, denn: «Vereinzelt schaffen es Forderungen aus den Flüchtlingssessionen auf die politische Agenda. Beispielsweise können abgewiesene Geflüchtete eine begonnene Lehre abschliessen.» Trotzdem gebe es noch vieles zu verbessern, etwa die Anerkennung von Diplomen, «um den Zugang zum hiesigen Arbeitsmarkt zu erleichtern». Den Mitgliedern im Flüchtlingsparlament ist der direkte Kontakt zu Schweizer Politiker:innen wichtig. «Wir schätzen es, wenn uns unsere politischen Partnerinnen und Partner als Fachpersonen auf diesem Gebiet wahrnehmen», so Mahtab Aziztaemeh.

Das bestätigt die anwesende Walliser Nationalrätin Natalie Imboden von Grüne Schweiz: «Wir Parlamentsmitglieder brauchen die Erfahrungsberichte und Vorschläge von euch Mitgliedern des Flüchtlingsparlaments, um das Asylwesen zu verbessern, weil ihr direkt die Stärken und die Schwächen der Schweizer Asylpolitik erlebt.»


Bildung einer parlamentarischen Gruppe

Die diesjährige Flüchtlingssession wurde mit einer Podiumsveranstaltung abgeschlossen. Dabei wurden die wichtigsten Forderungen aus den Kommissionen zusammengefasst und mit Vertretern und Vertreterinnen aus der Politik und von Hilfswerken diskutiert. Zudem wurden die weiteren Schritte kommuniziert, etwa die Absicht, eine parlamentarische Gruppe zu bilden. Gemäss Mahtab Aziztaemeh finden gegenwärtig entsprechende Gespräche statt, speziell mit Politiker:innen.
 

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Die Themen der Flüchtlingssession 2023
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Verbesserung des Aufenthaltsstatus
- Bildung für alle
- Psychologische Begleitung im Asylprozess
- Aufenthaltsstatus F und Familienbesuche im Schengenraum
- Erweiterung des Familiennachzugs
- Faire Behandlung von Kindern - unabhängig vom Aufenthaltsstatus
Weitere Infos: www.ncbi.ch und www.flüchtlingsparlament-schweiz.ch

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