Shishai Haile aus Eritrea möchte, «dass Politikerinnen und Politiker unsere
Realität und unseren Alltag verstehen». Foto: Pia Neuenschwander

«Nachfragen wäre wichtig»

Shishai Haile aus Eritrea beteiligt sich als Parlamentarier an der Flüchtlingssession

Shishai Haile* stammt aus Eritrea. Er beteiligt sich als Parlamentarier an der Flüchtlingssession und hat den Vorsitz in der Kommission «Psychologische Begleitung im Asylprozess».

Interview: Luca D’Alessandro

«pfarrblatt»: Weshalb braucht es die Flüchtlingssession?

Shishai Haile: Allgemein ist zu wenig darüber bekannt, wie die Asylpolitik das Leben von vorläufig aufgenommenen, abgewiesenen oder asylsuchenden Menschen beeinträchtigt. Daher möchten wir von unseren Erfahrungen berichten und die Öffentlichkeit darüber informieren, was klappt und was allenfalls kontraproduktiv ist bei der Integration, beim Zugang zur Bildung oder zu psychologischer Hilfe. Bedauerlicherweise werden wichtige Entscheidungen oft nicht mit uns Betroffenen besprochen. Das gilt es zu ändern.

Welches Anliegen ist Ihnen besonders wichtig?

Ich möchte, dass Politikerinnen und Politiker unsere Realität und unseren Alltag verstehen. Wo gibt es Handlungsbedarf? Auch würden wir es begrüssen, wenn die Unterscheidung zwischen Status F und S wegfallen würde und alle einen effektiven Schutzstatus erhalten könnten. Das würde vieles vereinfachen.


An der Flüchtlingssession standen sechs Themen auf der Agenda. Welches hat oberste Priorität?

Alle Themen erfordern gute Lösungsansätze und rasches Handeln. Als Vorsteher der Kommission «Psychologische Begleitung für Asylsuchende» setze ich mich mit weiteren Kommissionsmitgliedern für den breiten Zugang zu medizinischer und psychologischer Unterstützung bei seelischen Beschwerden ein. Wer geflüchtet ist, hat Schreckliches gesehen und erlebt. Seit 2020 begleite ich Menschen, die vor oder während ihrer Flucht ein Trauma erlitten haben.

Was benötigen diese Menschen?

Psychische Gesundheit wird oft tabuisiert. Bei Geflüchteten wäre es aber besonders wichtig, nachzufragen, wie es ihnen geht. Gegenwärtig sind wir auf der Suche nach Menschen, die bereit sind, öffentlich über ihre Erlebnisse zu sprechen. Damit fassen andere den Mut, ebenfalls darüber zu sprechen oder Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zu diesem Thema erarbeiten wir übrigens eine Vorlage für eine Interpellation. Ausserdem wollen wir Medienschaffende gezielt mit Informationen versorgen, damit sie das Thema aufnehmen und bekannt machen. Es gibt in diesem Bereich noch viel zu tun.

Ein weiteres Thema ist die Anerkennung von Diplomen.

Bedauerlicherweise werden Diplome häufig nicht anerkannt, oder der Zugang zur Bildung in der Schweiz ist erschwert. Hier gäbe es Verbesserungspotenzial, damit die Menschen ihren Qualifikationen entsprechend in den Arbeitsmarkt aufgenommen werden können.

Weitere Infos zum Thema «Brückenbauer:innen und Trauma» finden Sie HIER

 

* Shishai Haile (33) lebt seit 2015 in Aarau. Er wirkt beim Angebot «Brückenbauer:innen und Trauma» im Kanton Zürich und angrenzenden Kantonen mit. Als Migrationsfachmann bzw. Brückenbauer bietet er zusammen mit Psychotherapeut:innen Unterstützung für psychisch belastete Geflüchtete an.

 

Lesen Sie dazu auch: Geflüchtete gehen geeint an die Öffentlichkeit. Bericht von der dritten nationalen Flüchtlingssession.

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