Nicolas Betticher hat in einem Brief Bischof Charles Morerod Vertuschung von Missbrauch vorgeworfen. Die Freiburger Generalstaatsanwaltschaft hat keinen strafrechtlich relevanten Missbrauch aufgedeckt. Das Communiqué der Staatsanwaltschaft erwecke den Eindruck, «dass überhaupt nichts gewesen wäre», sagt Betticher.
Von Jacqueline Straub/kath.ch
Die Freiburger Generalstaatsanwaltschaft hat bekannt gegeben, dass die Vorwürfe gegen Bischof Charles Morerod strafrechtlich nicht relevant sind. Was sagen Sie dazu?
Nicolas Betticher*: Ich habe das Gefühl, dass man nun zeigen will, dass in meinem Brief an den Heiligen Stuhl nichts Relevantes und Richtiges stehen würde. Das finde ich schade. Es war mir bewusst, dass sich in meinem Brief nichts strafrechtlich Relevantes gemäss Schweizer Strafrecht finden lässt. Wäre das der Fall gewesen, wäre ich direkt zur Staatsanwaltschaft gegangen.
Sehen Sie es als Imagekampagne von Bischof Charles Morerod?
Kann man, aber ich kann es nicht beurteilen.
Sind Sie erstaunt über die Meldung der Staatsanwaltschaft?
Ich bin erstaunt. Man könnte den Eindruck bekommen, wenn man das Communiqué der Staatsanwaltschaft liest, dass überhaupt nichts gewesen wäre.
Die Staatsanwaltschaft wirft Ihrem Brief vor, lückenhaft und verjährt zu sein. Was sagen Sie dazu?
Der Brief ist voller wichtiger Informationen und Tatsachen, die man untersuchen muss. Und die zum Teil auch bewiesen sind. Er ist keine Anklageschrift, sondern eine interne Meldepflicht, zu der ich verpflichtet war.
Und der Punkt mit der Verjährung?
Das Kirchenrecht hat die Möglichkeit – im Gegenteil zum Schweizer Strafrecht – die Verjährung aufzuheben. Es führt dazu, dass alte Fälle aufgerollt werden können, denn es geht um die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit für die Betroffenen.
Derzeit läuft eine Voruntersuchung gegen Bischof Charles Morerod und weitere Personen. Was erhoffen Sie sich?
Ich bin dankbar, dass der Heilige Stuhl das Problem ernst nimmt und Bischof Joseph Maria Bonnemain mit der Voruntersuchung beauftragt hat. Ich erhoffe mir, dass Rom alles dran setzen wird, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen – besonders für die Betroffenen.
* Nicolas Betticher (61) war von 1995 bis 2000 Sprecher der Schweizer Bischofskonferenz. Danach war er Mitarbeiter von Bundesrätin Ruth Metzler, bevor er 2001 Kanzler des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg wurde. 2009 ernannte ihn Bischof Bernard Genoud zum Generalvikar. Bernard Genoud wird vorgeworfen, eine 19-Jährige missbraucht zu haben. Betticher ist seit 2015 Pfarrer und Pfarreileiter von Bruder Klaus in Bern. Er ist ausserdem Offizial am interdiözesanen Gericht.