Die katholische Kirche wird in den nächsten Monaten Thema im Grossen Rat Bern sein. Foto: Susanne Goldschmid

Politik reagiert auf Studie zu Missbrauch

Kanton Bern: Parteien und Kirchenbeauftragter äussern sich

In verschiedenen Motionen fordern Berner Kantonsparlamentarier:innen Anpassungen des Kirchengesetzes oder sogar die Sistierung der Auszahlung der Kantonsgelder an die katholische Landeskirche. Was sagen die Verantwortlichen der Parteien dazu?

Von Andreas Krummenacher

Die Vorstudie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche Schweiz sorgt auch politisch für Gesprächsstoff. Während im Nationalrat etwa Doris Fiala (FDP Zürich) oder Carlo Sommaruga (SP Genf) eine staatliche Untersuchung fordern, sind im Berner Grossen Rat gleich drei Vorstösse zum Thema eingegangen. Die Stossrichtung ist unterschiedlich.

Leumundsüberprüfung

Tobias Vögeli (Grünliberale Frauenkappelen) will Kantonsgelder für die römisch-katholische Landeskirche so lange einfrieren, bis ein Schutzkonzept vorliegt (das «pfarrblatt» berichtete). Darin sollen etwa Strafregisterauszüge für alle Angestellten der katholischen Kirche vorgeschrieben werden.

Der Vorstoss von Claudine Esseiva (FDP Bern) ist moderater. Mitunterzeichner:innen aus verschiedenen Parteien von FDP, Grüne bis zur Mitte fordern darin eine Anpassung des kantonalbernischen Kirchengesetzes. Auch hier wäre eine Leumundsprüfung vorgesehen, ausserdem sollen Geistliche zum Thema sexueller Missbrauch verpflichtend Sensibilisierungskurse besuchen.

Lückenlose Aufklärung

Auf Anfrage schreibt Rahel Ruch (Grossrätin und Co-Präsidentin Grüne): «Die Grünen verurteilen die Missbrauchsvorfälle und Vertuschungen respektive die skandalöse Untätigkeit der Schweizer Katholiken und wenigen -innen aufs Schärfste.» Vom Kanton Bern werde jetzt erwartet, dass er seinen Einfluss gegenüber der katholischen Kirche und insbesondere dem Bistum Basel geltend mache und sich für eine lückenlose und transparente Aufarbeitung einsetze. «Täter müssen verfolgt und bestraft werden, Geschädigte benötigen Unterstützung und es braucht Wiedergutmachung.» Rahel Ruch betont, die Untersuchung der Vorfälle und die Verfolgung der Täter habe von unabhängiger Stelle zu erfolgen, «ausserhalb der Kirche».

Die Sistierung der Gelder jedoch erachtet sie als nicht zielführend für eine umfassende und transparente Aufarbeitung, «dies vor allem, weil ja die von Vögeli genannten Gelder nicht ans Bistum fliessen, sondern v.a. Fachstellen und Angebote finanzieren wie die Gassenarbeit oder die Fachstelle Sozialarbeit, welche einen wichtigen Zweck in unserer Gesellschaft erfüllen, die zudem nichts mit den Missbrauchsfällen zu tun haben.» Der Vorstoss von Claudine Esseiva erachtet sie als «eher sinnvoll, um konkret in der Zukunft etwas zu verändern».


Wiedergutmachung

Für die EVP antwortet auf Anfrage Grossrat Philippe Messerli (Nidau). «Die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche stellen für die betroffenen Menschen eine Katastrophe dar», schreibt er. Nach Ansicht der EVP brauche es eine schonungslose Aufklärung und Wiedergutmachung. «Es müssen Massnahmen getroffen werden, dass sich solche Fälle nicht wiederholen können», so Philippe Messerli.

Man sei angefragt worden, den Vorstoss von Tobias Vögeli zu unterzeichnen. Alle EVP-Grossrät:innen hätten das abgelehnt. «Mit einer Sistierung der Kantonsgelder würden sämtliche Kirchgemeinden und Jugendarbeiten bestraft, die eine gute Arbeit sowie einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag leisten.» Damit sei niemandem geholfen, ergänzt Philippe Messerli.

EVP-Grossrätin und Kantonalpräsidentin Barbara Stotzer-Wyss sei Mitmotionärin beim Vorstoss von Claudine Esseiva. Im Sinne dieses Vorstosses sollte der Kanton, der die Löhne der Geistlichen finanziert, auch Vorgaben an die katholische Kirche machen können.

Die meisten Parteien schweigen

Für die SVP des Kantons Bern kommt die «pfarrblatt»-Anfrage zum Thema zu früh. Man wolle die Diskussion in der Grossratsfraktion abwarten, schreibt Aliki Panayides.

Anfragen an SP, FDP und die Mitte, wie sie zu den Motionen stehen, blieben unbeantwortet. Die Verantwortlichen halten sich bedeckt, das Thema scheint zu brisant zu sein.

Kirchenbeauftragter: Keine Kontrollfunktion

Auch Leutwyler David, Beauftragter für kirchliche und religiöse Angelegenheiten des Kantons Bern, hat die Berichterstattung zum Thema sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche «aufmerksam mitverfolgt». Das Ergebnis und die Einzelfallberichte würden ihn sehr betroffen machen. Man sei von den «Gesprächspartnern der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Bern» vorab über die Veröffentlichung der Vorstudie informiert worden. Mit dem Präsidium der Landeskirche ist er offenbar bereits im Austausch.

Die zuständige Direktion für Inneres und Justiz und er selbst hätten aber gegenüber den Landeskirchen keine Aufsichts- oder Kontrollfunktion. «Die Landeskirchen sind öffentlich-rechtliche Körperschaften und im Rahmen des kantonalen Rechts selbstständig», so David Leutwyler weiter.

Mit den eingegangenen Vorstössen würden sich jetzt der Regierungsrat und der Grosse Rat in den nächsten Monaten auseinandersetzen.

 

Motion Claudine Esseiva: «Griffige Massnahmen gegen Missbrauchsvorfälle in der römisch-katholischen Kirche»

Motion Tobias Vögeli: «Aufarbeitung von systematischen Fehlstrukturen und Missbrauchsfällen in der römisch-katholischen Kirche»

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