Selbstbewusstes Auftreten, kräftige Stimme, gewinnendes Lächeln: Manche halten den Berner Pfarrer Ruedi Heim (54) für eine Rampensau. Er selbst findet, dieser Begriff passe nicht zu ihm. Der neue «Wort zum Sonntag»-Sprecher hat am 25. Dezember Geburtstag.
Raphael Rauch
Eine Idylle kann trügerisch sein. So auch an einem Sonntagabend anfangs September in Bern-Bümpliz. Die Abendsonne taucht den Betonbau der St. Antonskirche in ein güldenes Licht. Es ist nach 18 Uhr, das Quartier schläft friedlich.
Gottesdienst zum Thema «Friedensmission»
Im Gotteshaus hingegen geht es alles andere als friedlich zu. Es geht um Kriegsverbrechen in der Ukraine. Um den ewig erscheinenden Krieg in Syrien. Und die vergessene Tragödie im Jemen.
Das Hilfswerk «Inländische Mission» hat sich für den Gottesdienst zum Thema Friedensmission, der vom Katholischen Medienzentrum live ausgestrahlt wird, für die Berner Pfarrei St. Anton entschieden, weil es einst den Kirchenbau mitfinanziert hat. Und weil Ruedi Heim das mitbringt, was für viele einen guten Seelsorger ausmacht: souveränes Auftreten, klares Profil – und eine gewisse Weltoffenheit.
Die Friedenstaube «als Symbol für Gottes Geistkraft»
Ruedi Heim betont im Gottesdienst, dass jede und jeder einen Beitrag für eine Friedensmission leisten könne. Denn der Friede beginne bei einem selbst.
Passend dazu dürfen die Gottesdienstbesuchenden eine selbstgebastelte Friedenstaube aus Papier mit nach Hause nehmen. «Bei Noah verheisst sie Zukunft. Bei der Taufe Jesu verheisst sie einen neuen Anfang», sagt Pfarrer Ruedi Heim. «Als Symbol für Gottes Geistkraft in der Welt steht die Taube für den Frieden.»
Mann für Klartext
Ruedi Heim hat auch andere Seiten. Wenn ihm etwas nicht passt, redet er Klartext und lässt seinen Emotionen freien Lauf. Als kath.ch einmal kritisierte, dass Kurienkardinal Kurt Koch lieber nach Heiligenkreuz pilgert als auf den Ökumenischen Kirchentag, fand Ruedi Heim das etwas daneben. Er ist aber nicht nachtragend. «Schwamm drüber», sagt er bei der nächsten Begegnung.
Ruedi Heim hat mit Bümpliz und Bethlehem zwei Berner Pfarreien, in denen sich viel tut. Die Diplomat:innen-Schickeria geht nach Bruder Klaus. Das urbane Bern trifft sich in der Dreifaltigkeitskirche. «Ich finde spannend, wie sich Quartiere verändern», sagt Ruedi Heim. Bern-Bethlehem galt früher als Ghetto, nun ist das Quartier seit Jahren im Kommen.
Skiferien mit Bischof Felix Gmür
Ruedi Heim versteht sich bestens mit seinem Vorgesetzten, Bischof Felix Gmür . Die beiden reisen gemeinsam in die Skiferien und tauschen sich auch sonst eng aus. Ist das nicht anstrengend, Kummerkasten des Bischofs zu sein? Ruedi Heim winkt ab: «Wir reden oft über andere Sachen.»
Ruedi Heim stammt aus dem Thurgau. Nach einem kurzen Umweg ins Studienfach Medizin hat er mit einem Stipendium des Kantons Thurgau das Germanicum besucht. Das Germanicum gilt als Kaderschmiede der deutschsprachigen Priesteramtskandidaten in Rom. Hier studieren die Vatikan-Diplomaten, Generalvikare und Bischöfe von morgen – so lautet das Selbstverständnis des Germanicums.
Bischof Franz Jung ist ein Studienkollege
Entsprechend gut ist Ruedi Heim vernetzt. In der Deutschschweiz – und im Ausland. Der Bischof von Würzburg, Franz Jung, ist einer von Ruedi Heims Studienkollegen. Viele denken, dass Ruedi Heim neuer Weihbischof des Bistums Basel wird. Darauf angesprochen, lacht er und verdreht die Augen.
Der 54-Jährige ist weltoffen, aber kein Wischi-Waschi-Priester. Er weiss, dass die katholische Kirche einen schweren Stand hat und besonders an Abdankungen und Hochzeiten glänzen muss, um auch kirchenferne Menschen zu erreichen. Wie wichtig eine gute Abdankung ist, erlebte er erst vor ein paar Tagen, als er seinen Vater beerdigte. Vom Paradies zu sprechen ist das eine. Wenn es um den eigenen Vater geht, hat das eine andere Qualität.
Blick in die reglose Kamera
Für den Berner Pfarrer steht fest: Die Kirche braucht Reformen. Und damit meint er mehr als nur die Abschaffung des Pflichtzölibats. «Für mich gibt es kein plausibles Argument, warum in der Schweiz nur Männer Priester werden können», sagt Ruedi Heim. Warum Bischof Felix Gmür nicht mutiger ist? «Das sehe ich anders. Es tut sich gerade viel im Bistum», sagt der Domherr des Standes Bern.
Ruedi Heim freut sich auf seine neue Aufgabe als «Wort zum Sonntag»-Sprecher. Das Casting habe ihm Spass gemacht, auch wenn er etwas nervös gewesen sei. «Im Gottesdienst kann man die Menschen anschauen. Man spürt, ob sie dabei sind oder abschweifen.» Beim «Wort zum Sonntag» schaue er in eine regungslose Kamera. «Das ist ungewohnt.»
Mal mit, mal ohne Römerkragen
Er will dabei die katholische Kirche als einladenden, sympathischen Ort zeigen. Mal mit, mal ohne Römerkragen: «Ich trage ihn nur selten. Warum sollte ich im Fernsehen ständig den Römerkragen tragen?»
Den Begriff «Kommunikation der Hoffnung», den Mariano Tschuor als Hauptaufgabe der Kirche sieht, mag Ruedi Heim nicht. «Natürlich geht’s um Hoffnung. Aber in der Pfarrei habe ich täglich mit schwierigen Geschichten zu tun. Wenn ein kleines Kind stirbt, ist jedes Wort fehl am Platz. Dann ist Schweigen und Mittrauern angesagt.»
Armee-Seelsorger aus Leidenschaft
Der Priester ist auch leidenschaftlicher Armee-Seelsorger. Ihn freut es, mit jungen Männern und Frauen übers Leben zu sprechen. «Da geht’s eigentlich nie um Religion, sondern um Alltagsprobleme. Gott ist mitten im Leben.»
Ruedi Heim ist ein Christkind: Er hat am 25. Dezember Geburtstag. Als Priester bedeutet das, dann immer arbeiten zu müssen. «Das gehört nach so vielen Jahren einfach dazu – wie wohl bei den meisten Menschen. Aber als Kind war ich überzeugt, dass ich nie werde arbeiten müssen.»
Kraft tanken in der Natur
In seiner «wenigen Freizeit», wie Ruedi Heim betont, verschlingt er am liebsten Bücher. Und geht raus in die Natur: «Das hilft mir, abzuschalten und Kraft zu tanken.» Und auf neue Ideen zu kommen. Auch fürs «Wort zum Sonntag». kath.ch