Nach der langen Pause fühlt es sich eigenartig an: Peter Anderhalden. Foto: Pia Neuenschwander.

«Eine gewisse Leichtigkeit beim Singen kehrt zurück»

Dirigent Peter Anderhalden im Gespräch.

Seit 16 Jahren leitet Peter Anderhalden den Dreif-Gospelchor Bern. Die Pandemie hat sich auch auf seine Probearbeit ausgewirkt. Im Interview beleuchtet der Dirigent die Situation seines und anderer Chöre.

Interview: Anouk Hiedl

«pfarrblatt»: Wie haben Sie und der Dreif-Gospelchor auf den Lockdown reagiert?

Peter Anderhalden: Zu Beginn konnten wir nicht wissen, dass die Pandemie so lange andauern würde. Der Lockdown wurde zunächst als überschaubare Singpause eingeordnet. Einige vermissten das gemeinsame Singen. Andere wiederum orientierten sich anders, entdeckten neue Hobbies oder benötigten mehr Zeit, um Job und Familie mit Homeschooling unter einen Hut zu bringen. Insgesamt wurde die Situation aber mit Geduld und Verständnis aufgenommen.

Haben Sie virtuell geprobt?

Wir haben es zuerst in Betracht gezogen, es nach einem ernüchternden Testlauf aber bleiben lassen. Ab und zu haben wir ein Online-Meeting zum Austausch organisiert, nicht zum Singen. Ich habe dem Chor auch einzeln abgemischte Übungsaufnahmen für daheim zugestellt. Das wurde zu wenig genutzt, selbständiges Proben ist nicht für alle gleich gut geeignet. Zwischen den Sommer- und Herbstferien 2020 haben wir draussen geprobt und danach wieder pausiert. Als die Fallzahlen vor den Sommerferien 2021 stark zurückgingen und die Hoffnung auf ein Ende der Pandemie mit der Impfung greifbar war, haben wir wie im Vorstand beschlossen, nach den Sommerferien wieder mit den Proben begonnen.

Wie war das für Sie?

Nach der langen Pause fühlte es sich eigenartig an. Das Chorsingen war innert kürzester Zeit vom Hobby zu einer Hochrisiko-Angelegenheit geworden. Das war und ist für alle neu und braucht Zeit, um sich heranzutasten. Ich stelle bei mir aber eine positive Entwicklung fest, die sich meist auf die Sänger:innen überträgt. Waren die ersten Proben noch ziemlich statisch, kehrt nun zunehmend eine gewisse Leichtigkeit und vor allem die Freude am Singen zurück – aus meiner Sicht unabdingbare Voraussetzungen, damit sich ein Chor wohl fühlen und berührende Musik hinzaubern kann.

Was beachten Sie nun bei den Proben?

Wir haben das Glück, in einem Lokal proben zu dürfen, das gross genug ist, allerdings mit nicht genug Möglichkeit, zu lüften. So halten wir Abstand, singen weniger lang ein und machen eine verkürzte Probe ohne Pause. Vor der Pandemie waren wir um die 50 Aktive. Momentan begrenzen wir die Anzahl bei 30, auch mithilfe einer Warteliste für Neue, um die Zertifikatspflicht zu umgehen. Mit gelockerten Massnahmen werden wir hoffentlich möglichst rasch wieder bei den angestrebten 50 sein.

Wieso tun sich manche (Kirchen-)Chöre schwer?

Kinder- und Jugendchöre sind wichtig, damit der Nachwuchs mit Gesang und dem sozialen Chorleben in Berührung kommt und später eher in einen Erwachsenenchor einsteigt. Eine ausgeglichene Altersverteilung im Chor macht ihn auch für Neumitglieder attraktiver. In der heutigen Zeit stellt die Verpflichtung auf längere Zeit eine grössere Hürde dar. In Projektchören braucht man sich nur für kurze Zeit zu verpflichten. Auch eine ansprechende und aktuelle Webseite trägt relativ viel zum Fortbestehen eines Chors bei.

Wie sehen Sie der Zukunft von Chören entgegen?

Die Pandemie macht das Chorwesen vorübergehend schwieriger. Danach sehe ich für das Fortbestehen unseres Chors keine Gefahr. Zunehmend führen finanzielle Überlegungen der Pfarrei aber dazu, dass unser Lokal an unserem Probeabend immer öfter fremdvermietet wird. Auch das schwache E-Piano anstelle eines Flügels trübt meine Sicht auf unsere Zukunft etwas. Ein grosses Plus ist, dass die Kirche dafür gesorgt hat, dass Dirigent:innen und Musiker:innen auch beim pandemiebedingten Ausfall des Probebetriebs finanzielle Unterstützung erhalten haben, was wiederum den Chören zugutekommt. Dafür sind wir sehr dankbar.

Wenn Sie freie Hand hätten: Was würden Sie ändern?

Was die Konzerte betrifft, mussten wir trotz sehr moderaten Eintrittspreisen nach drei Jahren wieder auf Kollekten wechseln – darauf würde ich gerne verzichten. Ein Ticketingsystem hat für das Publikum den Vorteil, dass online Plätze reserviert werden können. So muss das Publikum nicht in der Kälte vor geschlossener Türe anstehen, um einen guten Platz zu ergattern. Gleichzeitig erleichtert es uns das Budgetieren unserer Einnahmen und stellt sicher, dass wir mit der bewährten musikalischen Besetzung auftreten können.

 

Mehr zum Dreif-Gospelchor Bern: www.dreif-gospelchor.ch

 

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