Unsere Arbeit ist intensiver geworden: Barbara Clénin-Lipps. Foto: Pia Neuenschwander

«Ich wünsche mir die Unbeschwertheit zurück»

Die Dirigentin Barbara Clénin-Lipps im Gespräch.

Barbara Clénin-Lipps aus Lyss leitet fünf Chöre. Im Interview erzählt sie, wie sich die Pandemie auf ihre Probearbeit ausgewirkt hat.

Interview: Anouk Hiedl

«pfarrblatt»: Wie haben Sie und Ihre Chöre auf den Lockdown reagiert?

Barbara Clénin-Lipps: Die meisten waren traurig und enttäuscht, nicht mehr gemeinsam singen zu dürfen. Schwierig war vor allem, dass wir nicht wussten, wie lange dieser Lockdown andauern würde. Virtuell habe ich nur mit dem Frauenensemble Canto Allegra geprobt. Mit dem ökumenischen Kirchenchor, dem Männerchor und dem Frauenensemble habe ich je eine Probe vor den Sommerferien gemacht, um zu sehen, wo wir stehen und wie ich mich auf die offizielle Probenaufnahme nach den Sommerferien vorbereiten kann.

Wie war es, nach dem Lockdown erstmals wieder zu proben?

Für mich war es ein emotionaler Moment – ein sehr schönes Gefühl, wieder vor dem Chor stehen und zusammen proben zu dürfen. Bei den ersten Proben waren nicht alle Chormitglieder dabei. Einige pausieren nach wie vor – im Moment sind etwa zwei Drittel der Chöre aktiv. Es war Erleichterung und Freude zu spüren, dass wir nach so langer Zeit endlich wieder miteinander singen durften. Bedenken spürte ich keine.

Was beachten Sie seither?

Seit September haben wir beim ökumenischen Kirchenchor von Büren an der Aare die Zertifikatspflicht eingeführt. Bei den anderen Chören und Ensembles tragen wir beim Hereinkommen Masken und halten nach wie vor genügend Abstand. Nach jeweils 20 Minuten unterbreche ich die Probe, und wir lüften ordentlich durch.

Sind ihre Chöre «dieselben» wie vor dem Lockdown?

Bei allen Chören haben sich die Motivation, Freude und Konzentration nicht verändert. Im Gegenteil, unsere Arbeit ist viel intensiver geworden. Weniger Mitglieder haben wir momentan nur beim ökumenischen Kirchenchor.

Inwiefern beeinflusst die Pandemie Ihre Probearbeit?

Generell versuche ich vor allem, wieder aufzubauen. Nach monatelanger Zwangspause steht für mich die Freude am Gesang an erster Stelle. Natürlich haben wir auch Aufgaben, Konzerte, Einsätze in Gottesdiensten. Nach zweimaligem Verschieben unseres grossen Beethoven-Schubert-Konzerts ist es beim Männerchor es vor allem wichtig, die Spannung und Freude wieder aufzubauen. Beim ökumenischen Kirchenchor habe ich auf dreistimmige Lieder gewechselt, da wir im Moment weniger Sänger haben. Mit dem Seniorenchor der Pro Senectute kann ich die Arbeit leider immer noch nicht wieder aufnehmen. Unser Probelokal befindet sich in einem Alterswohnheim, und andere Räume konnte ich nicht finden, da aus aktuellem Anlass keine Säle zur Benutzung frei gegeben werden.

Wieso tun sich manche Chöre schwer bzw. was machen andere besser?

Ich glaube, es kommt bei Chören und Ensembles darauf an, wie viele Mitglieder vor der Pandemie aktiv und vor allem wie alt sie waren. Einige ältere Personen haben nach der langen Pause endgültig mit dem Chorsingen aufgehört.

Wie sehen Sie der Zukunft von Chören entgegen?

Die aktuelle Situation gibt uns die Chance, einiges neu aufzugleisen. Ich habe festgestellt, dass einige Personen in meinem Umfeld ihre Freude am Musizieren und Singen wieder entdeckt haben. Vor allem ist es wichtig, jungen Leuten spannende Ideen und neue Formen von Konzerten anzubieten. Chorprojekte zum Beispiel sprechen an, weil man sich nur für eine gewisse Zeit engagieren muss.

Wenn Sie freie Hand hätten: Was würden Sie für Proben und Konzerte mit Ihrem Chor ändern?
Ich wünsche mir die Unbeschwertheit zurück, sich nur auf die Musik und den gemeinsamen Gesang konzentrieren zu können. Ich denke, damit bin ich nicht allein.

 


Welche Erfahrungen andere Chorleitende während der Pandemie gemacht haben, lesen Sie hier:
Peter Anderhalden, Leiter des Dreif-Gospelchors Bern: «Eine gewisse Leichtigkeit beim Singen kehrt zurück»
Patrick Secchiari, Dirigent aus Bern: «Die Stimmung in den ersten Proben war beinahe heilig»

 

 

 

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